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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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irt / soffe ich mit den stärcksten Zügen gantz unvermerckt das süsse Gifft der Liebe / und wurde solches nicht ehender gewahr / als biß ich weg gehen wolte / und doch das außbündige Bild bey nahe nicht auß den Augen lassen konte;
    Jch war bereits verehelicht / und hatte mein Tage schon manche Bulschafft bedienet / welche Geschäffte dann gemeiniglich auß Anregung der Liebe getrieben werden / massen ich auch / dieweil ich also mit der Leim-Stange geloffen / genug mit derselben und ihren Passionibus zu schaffen gehabt / aber lauter Schertz und Kinderspiel deuchte michs gewesen zu seyn / gegen dem / was ich jetzunder überstunde! dann nachdeme ich diese Jüdische Jungfer einmal gesehen / hatte ich weder Tag noch Nacht keine Ruhe mehr / kein Schlaff kam mehr in meine Augen / alle lustige Gesellschafften / die ich doch mit Fleiß suchte / meinen Kummer zu vergessen / waren mir zu wider / mein gantzes Thun war / mich mit Schmertzen zu speisen / mit schwermütigen Gedancken zu schleppen / mit allerhand Klagen eyteler Mühe / Verdruß / mancherlei tieffen Nachsinnungen / und sonst mit tausenderley Phantastischen Thorheiten und närrischen Anschlägen / meiner Geliebten zu geniessen / mich abzuarbeiten; Sonst aber liesse ich alle eheliche Geschäfften / und mein gantze Handthierung ein gut Jahr haben / und gleich wie mir hierdurch Witz und Verstand stumpff und untauglich ward / also namen auch das Fleisch / sampt den Kräfften meines Leibs ab / gleichsam als wann ich die Schwindsucht am Hals gehabt hätte; Also erfuhr ich erst spat / was vor eine Beschaffenheit es umb eine rechthefftige Lieb habe / da ich doch als ein Verehelichter Virgilij nutzliche Lehr betrachtet haben solte / wann er sag
       
Vina sitim sedent, natis Venus alma creandis
    Serviat: hos fines transiluisse nocet:
    Das ist:
Der Wein zum Durst / Venus zur Zucht /
Wer drüber schreit / hat wenig Frucht.
    Dieser mein Zustand / welcher täglich ärger wurde / wäre zwar mehr als genugsam gewesen / mich nach und nach außzumerglen / und endlich gar dem Tod auffzuopffern / aber so gnädig wolts (wie es schiene) nicht abgehen / die Beschaffenheit meines Verhängnuß liesse sich viel grausamer an / und die unüberwindliche Verhindernussen und Jrrungen mein Verlangen zu erfüllen / waren so gewaltig / daß sie mir die endliche Verzweifelung antroheten / allermassen ich anfienge mir allgemach selbst den Tod zu wünschen / also daß ich wol mit jenem Jtaliäner klagen konte:
O notte, ô cielo, ô mare, ô piaggie, e monti,
Che si spesso m'vdite chiamar morte,
       
    Jst Teutsch:
        
O Nacht / O Himmel / O Meer / O Berg und Thal /
Wie offt hört ihr mein Wunsch / zu leiden Todtes-Qual.
    Ja ich liesse es hierbey noch nicht bleiben / sondern ergrieff den äussersten Wunsch der erbosten und verzweifelten Buler / nemlich daß Himmel und Erden gar ineinander falle / damit ich meines Jammers ein End sehen möchte / welchen Wunsch Alphenus Perusinus in Jtaliänischer Sprach also geben:
Piouan dal ciel con tempestosa furia,
Folgori ardenti, che ciascun sommergano,
       
    Cantalicius hat ihn also in die Lateinische Sprach übersetzt:
Totum terribili quatiatur turbine cœlum,
    Cunctaque dispereant corpora fulminibus,
   
    Mag Teutsch lauten:
               
Himmel und Erd zugleich fallen in einen Hauffen /
Daß solcher Ungestümm kein Mensch nicht könn entlauffen.
    Zwar / daß meine Geliebte eine Jüdin war / gab mir die geringste Anfechtung und Bekümmernus; dann einem solchen Gewissen / das sich einmal entblödet / durch deß Teufels Hülff wieder zu seinem verlornen Gelt zu gelangen / gilts auch gleich / ob die Viehische Begierden an einem getauften oder ungetaufften stück Fleisch vollbracht werden; diß hingegen machte mir das gröste Hertzenleyd / daß ich wuste / wie genau und vorsichtig die Juden ihre Weibs-Bilder vorm Fall zu bewahren gewohnt seyn / und zwar sonderlich die Jungferschafften; Zweytens war mirs auch nicht der geringste Kummer / als an diesem Ort durch Gelt und Gaben / welches sonst überall durchtringt / alle Berg und Thal eben macht / und jeder Orten victori sirt / nichts auszurichten; sintemal ihr Vatter dem gemeinen Ruff nach / dessen so viel hinweg zu werffen hatte / ohne sonderbare Schmälerung seiner unaussprechlichen Reichthumb / als ich mein Lebtag zusammen zu bringen mir einbilden dörffen; Zum Dritten war mirs ein scharffer Dorn in Augen / daß die Juden / so wol Weibs- als Manns-Bilder uns

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