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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Christen gleichsam von Natur hassen / und sie gegen ihnen / dem Samen Abrahams / der sich noch Gottes außerwehltes Volck zu seyn einbildet / und dermaleins unter ihrem künfftigen Messia die gantze Welt zu beherrschen hofft / nicht viel besser in ihrem Sinn als Hund æstimir en; Vierdtens machte mirs nicht wenig graue Haar / und eingefallene Backen / daß ich an diesem Ort weder durch Cuppler noch Cupplerinnen zuzukommen getraute / welcher Art Leute berühmter Verschlagenheit / arglistigen Betrügerey / und täglich neu-ersinnenden Fünden sonst keine Jungfrau zu keusch und züchtig / keine Wittib zu vorsichtig / keine Frau zu klug / kein Vorsatz zu steiff / keine intention zu fest / und keine continen tz zu standhafftig seyn kan / auch kein Felsen so hart und fest zu finden / der nicht durch ihr stätigs Ansetzen bewegt werde / worwider weder Gewalt noch List / weder Fürsichtigkeit noch Weisheit / weder Geschwindigkeit / Kunst noch Geschicklichkeit etwas außzurichten vermag / je besser mir nun dieser Leute dexterit ät bekand war / je mehrers schmerzte michs / daß ich mir dieselbe nicht zu Nutz zu machen wuste; Fünfftens sahe ich mich in einer Statt / darinnen mit Gewalt nichts auszurichten / dieweil die Juden daselbsten unter dem allersichersten Schutz wohnen / und durch List etwas zu unterstehen deuchte mich unmüglich seyn / dieweil wie oben gehört / die Juden ihr Weiber-Volck so genau bewahren / mich mit ihr bekand zu machen / und ihr als ein Serviteur auffzuwarten / ob ich etwan heimlich und unvermerckt den Bahner anbringen könte / bedeuchte mich eben so spöttisch als gefährlich zu seyn.
    Jch glaube / daß der leidige Sathan die jenige Leute / so sich schon auß einer Sünd in die ander zu weltzen gewohnet / mit den allergrössesten Anfechtungen zu versuchen / viel mehrern Gewalt habe / auch unverschämter dieselbige anfalle / als bey den jenigen / die sich nach äusserstem Fleisses vor den Lastern gehütet / dann siehe / ohne Zweiffel / auß dieses Ertz-Feinds Eingeben / kriegte ich die Gedancken / daß ich zu mir selber sagte: Wie wär ihm / wann du dich beschneiden liessest? Massen solches zu Amsterdam nichts neues ist; So bald empfand ich aber diesen Gedancken nicht / daß ich nicht auch eben so bald seine greuliche Abscheulichkeit gesehen hätte; Nein / sagte ich / dieser Einfall und Vorschlag ist vom Teufel / du solst tausendmal lieber sterben / als Christum deinen Heyland verläugnen; hätte ich damahl meine Vernunfft noch frisch und gesund gehabt / so hätte ich auch leicht gedencken können / und schliessen sollen / daß die Liebe / die ich gegen der Jüdin hegte / auch sonst von niemand / als vom Teufel her ihren Ursprung haben könte / umb mich dardurch umb mein Christenthumb / und also umb die ewige Seeligkeit zu bringen; Aber ach! Jch liesse es bleiben / und vermeynet genug / und eine ritterliche Christenthat begangen zu haben / daß ich Christum nicht offentlich verläugnen wolte / da ich mir doch hingegen gar kein Gewissen machte / der Jüdin Bildnus in meinem Hertzen all Augenblick anzubeten / und ihr viel tausend Liebes-Seufftzen zu schencken.
    Die eintzige Erquickung meines Trostlosen und trübseligen Lebens war diese / daß ich fast täglich unsichtbarer Weise hingieng / meine Liebste zu sehen / und meine Augen in ihrem wunder-schönen Angesicht zu weyden / aber was nenne ich diese Thorheit eine Erquickung / die doch nichts anders als Oel in mein Feuer war / worvon meine Liebes-Flammen je länger je grösser wurden. Also liebte ich ohne Hoffnung deß Genusses / und quälte mich mit Nachsinnungen / obs nicht müglich seyn könte / meinem Elend auff den einen oder den andern Weg abzuhelffen; aber da war keine expedien tz zu finden / ich hätte mich dann selbst hencken oder erträncken wollen / welches mir aber noch zur Zeit gar nicht annehmlich seyn wolte; Jndessen erlernete ich deß Juden / und aller seiner Haußgenossen Namen / und machte mir alle Winckel im gantzen Hauß so bekand / als wann ich darinn geboren und erzogen worden wäre; Jch fande auch den Ort / wo deß Juden Baarschafft / Silber-Geschirr und Klenodien lagen / welches in Warheit ein solcher Schatz war / dergleichen bey manchem Grafen in Teutsch- und Welschen Landen nicht zu finden; Aber ich liesse alles unverruckt / weil nicht deß Hauptreichen Eliezers Gold / Silber und Edelgestein / sondern seine schöne Tochter Esther vor dißmal der Schatz war / nach dem ich verlangte.
    Einsmals an einem Freytag Abends befand ich

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