Das Yakuza-Mal
ist er gefahren?«
»Einmal ist er in ein Privathaus gefahren, ungefähr zwei Autostunden von seinem eigenen Haus entfernt. Ich dachte schon, ich sei der Ellermann-Sache auf der Spur, und sagte mir:
>Jetzt wird's heiß. Ich hab Ajaccios Bürschchen gefunden.< Aber das stimmte nicht. Er traf sich dort mit ein paar Leuten. Es war nicht einfach, die Zulassungsnummern herauszufinden, ohne die Behörden einzuschalten. Darum konnte ich den Rolls auch nicht einfach über die amtlichen Kanäle feststellen. Aber bei zwei Leuten, mit denen er sich traf, konnte ich das herausfinden. Ein Wagen gehörte einem leitenden Angestellten einer großen Elektronikfirma, und der andere gehörte einem Angehörigen der russischen Botschaft.«
Mulvaney hatte zu hastig getrunken; jetzt bekam er einen Hustenanfall. »Was?«
»Ruhig atmen, keine Panik, dann wird's schon wieder«, riet ihm Andy. Er nickte nur. »Ich konnte mir denken, daß ich einer ganz großen Sache auf der Spur war. Deshalb blieb ich Tag und Nacht dran. Dann brachten sie den Wagen weg, und als er wieder zurückkam, waren neue Reifen aufgezogen. Ich vermutete, daß in Kürze etwas passieren würde. Vielleicht planten sie eine längere Reise, und vielleicht würden sie mich dabei zu Ellermann oder zu weiteren Russen führen.
Deshalb habe ich mich an der Straße, an der der Wagen vorbeikommen mußte, herumgetrieben und dort sogar übernachtet, wenn ich nicht gerade die Wagen oder die Kleidung wechselte. Der Wagen fuhr eines Abends um halb zehn an mir vorbei, und ich folgte ihm. Ich dachte mir, das muß was Besonderes sein, denn vorher waren sie noch nie nachts ausgefahren.«
»Wie warst du getarnt?«
»Ich hatte mich als Mann verkleidet.«
»Gott sei Dank hat dich niemand aus der Nähe gesehen.« Mulvaney hatte herausgefunden, daß er sie zum Erröten bringen konnte, wenn er sich Mühe gab. Sie sah hübsch aus, wenn sie rot wurde.
Sie ignorierte ihn, aber ihre Wangen wurden rot.
Er fragte sich, ob sie auch an anderen Körperteilen rot werden konnte. Er hoffte, das bald herauszufinden. Er hoffte, es heute nacht noch herauszufinden. Er konnte aber diesem Gedanken nicht länger nachhängen, denn sie redete bereits weiter. Reden war anscheinend auch etwas, was sie gern tat. »Sie sind die Straße entlanggefahren, die wir heute nachmittag auch gefahren sind. Ich bin ihnen bis zu dem Tempel gefolgt. Gott sei Dank bin ich nicht zu nah rangegangen, sonst hätte mich der schwarzgekleidete Kerl, der Ninja, bemerkt.«
»Hast du gehört, was sie redeten?«
»Nur eine einzige Bemerkung. Einer von ihnen, ich glaube, es war Mizutani Hideo, sagte
>Vietnam<«
Mulvaney zündete sich eine neue Zigarette an.
Osgood folgte ihnen ins Hotel und beobachtete, wie sie das Restaurant betraten. Dann ging er schnell auf sein Zimmer, warf rasch ein paar Sachen in seine geräumige Aktentasche und verließ das Hotel wieder. Er ließ den Honda volltanken und fuhr auf derselben Straße wieder zurück. Unterwegs hielt er an, schob sich auf den Rücksitz und zog sich rasch um: einen schwarzen Wollpullover, dann das Schulterholster und darüber eine schwarze Windjacke. Außerdem streifte er die enganliegenden schwarzen Lederhandschuhe über, die er immer bei sich trug. Dann setzte er sich wieder ans Steuer und fuhr weiter. Er stellte den Honda fast an derselben Stelle ab, an der er schon am Nachmittag geparkt hatte, wendete aber, so daß der Wagen in Richtung Kioto stand. Er schloß ab und schaltete die Alarmanlage ein. Dieses Mal nahm er das Fernglas und den Naturführer nicht mit. Wenn ihn jemand in der Nähe des zen-buddhistischen Tempels entdeckten sollte, würde er sich entweder schnell aus dem Staub machen oder kämpfen. Reden hätte dann vermutlich keinen Zweck mehr.
Er ging am Waldrand entlang, bis er den Pfad erreichte. Sicherheitshalber blickte er sich noch einmal um. Er hatte eine kleine Taschenlampe dabei, aber es würde nur unnötig Aufsehen erregen, wenn er damit den Weg ausleuchten würde. Durch die Blätter fiel schwaches Mondlicht; der Pfad selbst lag fast in völliger Dunkelheit vor ihm. Er griff mit der rechten Hand in seine Windjacke und zog die Walther aus dem Holster.
Im Kino und im Fernsehen liefen die Leute mit einer Waffe in jeder Hand und streckten die Arme weit nach vorne, als ob sie mit einer Wünschelrute nach Wasser suchten. Im wirklichen Leben sah das nicht nur lächerlich aus, sondern war auch die einfachste Weise, entwaffnet zu werden. Er setzte seinen Weg in
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