Das Yakuza-Mal
dabei. Andy flüsterte ihm zu: »Gib mir Deckung.«
Sie kniete sich vor der Tür hin und hielt einen Dietrich in der linken Hand. Ihre Waffe lag neben ihr auf dem Boden.
»Nein.« Er stieß sie von der Tür weg. Sie nahm ihre Waffe wieder in die Hand und verstaute die Dietriche in ihrer Handtasche. Für das Schloß hatten sie jetzt keine Zeit, denn wenn in dem Zimmer wirklich Killer waren, konnte sie das ihr Leben kosten.
Mulvaney trat einen Schritt von der Wand weg und in die Mitte des Flurs. »Gib mir Deckung«, sagte er zu ihr. Er machte einen großen Ausfallschritt mit dem linken Bein, holte mit dem rechten aus und trat gegen die Tür. Die Tür gab nach und sprang nach innen auf.
Andy ging zuerst hinein, was Mulvaney zwar nicht recht war, aber völlig korrektes Vorgehen darstellte. Er war knapp hinter ihr. Andys Atem kam stoßweise und klang ängstlich und sehr traurig.
Es war ein Einzimmerapartment. An der gegenüberliegenden Wand befanden sich ein Spülbecken und zwei mit Vorhängen verhängte Nischen, hinter denen wahrscheinlich die Toilette und die Waschgelegenheiten waren. An der Wand, in der das einzige Fenster des Zimmers war, lag auf dem Boden eine Art japanische Matratze.
Jill Lintons blondes Haar war blutverklebt, ihre blauen Augen waren weit geöffnet. Zumindest paßte das Gesicht zu der Beschreibung, die ihm Andy im Auto gegeben hatte. Er sah mit Entsetzen, daß man ihr die Füße an den Hinterkopf gepreßt hatte.
Andy fiel ihm um den Hals, ihre rechte Faust hielt immer noch den kleinen .38er umklammert, aber sie hatte die Faust gegen ihren weit geöffneten Mund gepreßt. Sie atmete schwer. Tränen standen in ihren grünen Augen. Sie versuchte, einen Schrei zu unterdrücken, aber es war schon zu spät. »Bleib hier«, flüsterte Mulvaney. Er suchte mit ausgestreckter Pistole das Zimmer ab. Seine Augen wanderten zu dem toten Mädchen zurück, zu ihrem Kopf, dem abgetrennten nackten Torso.
Jetzt erst bemerkte Mulvaney, daß ihr ein Finger ganz und an einem zweiten ein Stück fehlten.
Vielleicht hatte sie ihre Hand schützend an den Hals gehalten, als man ihr- mit was auch immer —
den Kopf vom Rumpf trennte.
»Es ist ... es ist wie damals, als sie... meinen Partner...« Andy weinte. Sie löste sich ruckartig aus seiner Umarmung und wiegte ihren Körper mit vor der Brust verschränkten Armen. Die Pistole hatte sie immer noch in der Hand.
»Wie damals, als sie deinen Partner Koswalski umbrachten.« Sie nickte nur. Sie stieß würgende Laute aus, als ob sie sich jeden Moment übergeben müßte oder es zumindest wollte, aber nicht konnte.
Mulvaney betrachtete noch einmal das tote Mädchen. Ohne eine Obduktion konnte man vom Anblick der Leiche allein keine Rückschlüsse ziehen. Er schaute sich rasch im Zimmer um, rührte sich aber nicht von der Stelle. Im Rahmen eines Spiegels steckte ein Foto. Er ging auf den Spiegel zu, faßte das Foto aber nicht an. Die blonden Haare und die blauen Augen des Mädchens auf dem Bild - es war eine jüngere, glücklichere Jill Linton. Sie trug ein Tanzkleid mit Rüschen; ihr Lächeln war so strahlend, daß sie damit eine sehr dunkle Nacht hätte erhellen können.
»Wir werden diesen Mädchenhändler Shinoda aufsuchen. Heute noch.« Er packte Andy an der linken Hand und zog sie in den Gang hinaus.
»Steck die Knarre weg. Wenn wir im Auto sitzen und von hier weg sind, heulst du dich erst mal richtig aus, sonst trägst du diesen Anblick für immer mit dir rum«, sagte er im Hinausgehen. Jetzt lag das Zimmer hinter ihnen. Mulvaney drehte sich kein einziges Mal mehr um.
Der Hinweis auf Vietnam hatte sich in seinem Kopf festgesetzt. Andy hatte das Wort gehört, als der Führer der Yakuza, Mizutani Hideo, sich damals um Mitternacht mit diesem
schwarzgekleideten Burschen getroffen hatte.
Außerdem hatte Andy erwähnt, daß eines der Autos einem russischen Beamten gehörte. Und die Gangster von der Yakuza hatten das Mädchen auf die gleiche Art umgebracht, wie sie auch Andys Partner umgebracht hatten. Ein paar Dinge paßten nicht zusammen. Diese Leute von der Yakuza, die sie in dem Liebeshotel überfallen hatten, waren ganz gewöhnliche Schlägertypen gewesen, Gewohnheitsverbrecher, deren Verstand in ihren Knarren steckte. In den Morden an Andys Partner, Koswalski, und an Jill Linton steckte jedoch mehr Gerissenheit, als die Yakuza-Typen bisher an den Tag gelegt hatten.
Er dachte an Shinoda Akiro, den
Mädchenhändler, der Mädchen weismachte, im Osten stehe
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