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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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mit Ihren Angestellten sprechen. Mit denen, die am betreffenden Tag gearbeitet und die Gäste bedient haben. Am besten, ich fange mit Frau Worobjowa an, sie wartet ja schon.«
    »Gut, dann kommen Sie mit. Neben der Küche haben wir einen Aufenthaltsraum für die Kellner eingerichtet. Ich kann noch gar nicht fassen, was Sie da gesagt haben, Sie haben mir richtig Angst eingejagt.« Maria blickte Kolossow in die Augen. »Was geht hier vor?«
    Aber Nikita gab keine Antwort. Mochte Madame ruhig schockiert sein. Er würde sie jedenfalls genau im Auge behalten.
    Der Aufenthaltsraum stellte sich als ein fensterloses kleines Zimmer heraus, das mit Fernseher, Ledersofa, Sesseln und Kleiderspinden möbliert war. Jelena Worobjowa saß dort ganz allein, rauchte und sah fern. Es liefen gerade die Nachrichten.
    »Also, dann lasse ich Sie jetzt allein«, sagte Maria und
    ging.
    Kolossow musterte Jelena: etwa siebenundzwanzig, blond, langbeinig, attraktiv, mit einer schlanken, sportlichen Figur.
    »Jelena . . . Wie heißen Sie mit Vatersnamen?«
    »Wiktorowna«, erwiderte Jelena kalt und drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus.
    »Jelena Wiktorowna, Sie hatten also am Freitagabend Dienst?«, fragte er und setzte sich auf das Ledersofa.
    »Ja, das war meine Schicht.«
    »Was war das für ein Abend?«
    »Ein leichter.« Jelena lächelte überraschend – höflich und gleichgültig. »Zur Zeit kommen sowieso nicht viele Gäste. Im August ist in Moskau nichts los, die Leute sind im Urlaub, und dann noch diese grässliche Luft, alles stinkt verbrannt. Wer hat da schon Appetit. Bei uns haben vier Kellner gleichzeitig Urlaub. Wenn es so weitergeht, wird die Chefin sie wohl ganz entlassen müssen. Na, am Freitag war hier jedenfalls geschlossene Gesellschaft. Freunde der Chefin.«
    »Haben Sie allein bedient?«
    »Ich habe nur geholfen.« Wieder lächelte Jelena höflich und zeigte ihre weißen, gleichmäßigen Zähne. »Unser Chefkoch und unser zweiter Koch waren die ganze Zeit am Tisch. Auf der Speisekarte stand Meschui – Lamm am Spieß. Das wird vor den Augen der Gäste zubereitet. Deshalb waren auch zwei Köche gleichzeitig da. Eine besondere Ehre.« Erneut lächelte sie Kolossow so mechanisch und routiniert an, wie sie es wahrscheinlich auch bei ihren Gästen tat. »Ich war fürs Servieren zuständig.«
    »Sie kannten diese Leute?«
    »Natürlich. Wer kennt Aurora nicht? Und die anderen waren auch alle Stammgäste – Mochow ist ständig hier, er hat mit der Chefin auch geschäftlich zu tun, Anfissa kommt mindestens dreimal pro Woche zum Frühstück und zum Mittagessen.«
    Studnjow und Simonow erwähnte die Kellnerin nicht.
    »Hielten Sie sich die ganze Zeit über im Saal auf? Oder sind Sie auch mal rausgegangen?«, fragte Kolossow.
    »Nein, ich war die ganze Zeit im Saal und habe bedient.«
    »Wie lange hat das Essen gedauert?«
    »Nun, um halb acht haben wir den Tisch gedeckt, so gegen acht trafen dann die Gäste ein. Etwa um halb eins sind sie aufgebrochen.«
    »Haben sie viel getrunken?«
    »Wer trinkt heutzutage wenig?« Jelena bedachte Nikita wieder mit ihrem eisigen Lächeln.
    »Na, hier sieht es doch sehr arabisch aus. Und Allah verbietet seinen Anhängern bekanntlich den Genuss von Alkohol.«
    »Aber wir sind nicht seine Anhänger«, erwiderte Jelena. »Außerdem wäre ein Restaurant ohne Alkoholausschank nicht rentabel. Saiko kriegt allerdings jedes Mal Krämpfe, wenn die Gäste zu seinem Couscous Wein trinken.«
    »Saiko ist Ihr Koch?«
    »Ja. Der zweite Koch. Er ist überhaupt fürchterlich konservativ.«
    Jelena sagte das mit einem ironischen Lächeln. Aber Nikita achtete in diesem Moment nicht auf ihre Worte.
    »Ihre Gäste haben also getrunken und sich amüsiert«, sagte er, »haben sie auch getanzt?«
    »Na, wissen Sie, wer von denen hätte wohl Lust zu tanzen? Aurora sagt, sie muss sich schon bei ihren Auftritten mit den Go-Go-Girls derart verrenken, dass ihr alle Muskeln wehtun. Die Chefin tanzt auch nicht. Und Anfissa ist zu schwerfällig. Sie würde wohl gern, aber es ist ihr nicht gegeben.«
    Kolossow reagierte auch auf diese bissige Bemerkung nicht. Leider.
    »Haben Sie irgendetwas Ungewöhnliches an diesem Abend bemerkt, Jelena Wiktorowna?«, fragte er.
    »Ich? Etwas Ungewöhnliches? Nein, nichts.«
    »Maxim Studnjow«, sagte Kolossow, »war er auch schon früher hier bei Ihnen?«
    »Ja, das war er. Ich glaube, ihm gefällt unser Restaurant«, sagte Jelena. »Mir selbst gefällt es ja auch.«
    »Arbeiten Sie

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