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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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bereits alles gesagt.
    »Ja, ich habe am Freitag gearbeitet«, erwiderte Saiko diplomatisch.
    »Kannten Sie die Gäste bei diesem Essen schon von früher?«
    »Ja, natürlich. Es waren alles Freunde von Maria Sacharowna. Und fast ausschließlich Stammgäste von uns.«
    »Wie sah das Menü an diesem Abend aus?«
    »Das Menü? Das hat unser Chefkoch zusammengestellt, nach den Wünschen der Gäste. Ich habe die Vorspeisen aus Fleisch und den Fisch zubereitet: Mischna, Kefta am Spieß, Merguez marokkanisch, Garnelen in scharfer Dakar-Sauce, Fruchtpastillen, Tauben-Yassa, Tajin mit Meeresfrüchten, Rghaif-Mechtamrin«, ratterte Saiko auswendig herunter.
    Kolossow hätte fast aufgestöhnt.
    »Können Sie für uns eine Liste der genauen Speisenfolge aufstellen, mit entsprechenden Erläuterungen zu jedem einzelnen Gericht?«
    »Meinen Sie damit die Ingredienzien oder die Methode der Zubereitung?«
    »Ich meine die Lebensmittel«, sagte Kolossow heiser. Er merkte – er war heute nicht in der Lage, einen Koch zu verhören.
    »Gut, wenn es nötig ist, werde ich das natürlich tun. Nur . . . darf ich Sie etwas fragen? Wofür braucht die Miliz das? Was ist passiert?«
    »Einer Ihrer Gäste, Maxim Studnjow, ist tot.«
    »Ja, ich weiß, das haben wir schon gestern gehört. Was für eine Tragödie«, sagte Saiko und klapperte unschuldig und betrübt mit seinen vergissmeinnichtblauen Augen. »Er ist aus dem siebten Stock gestürzt, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Nikita, »aber vorher ist ihm übel geworden. Er war nicht ganz gesund.«
    »Ach, dann war das also ein Unfall? Aber was machen Sie dann hier – die Miliz, die Mordkommission?«
    »Wir wollen die genaue Todesursache feststellen. Deshalb befragen wir alle Leute, die Studnjow am Abend seines Todes gesehen haben. Sie haben ihn doch hier im Restaurant gesehen, Lew?«
    »Ja, natürlich«, sagte Saiko, »er war so gut gelaunt, hat mit solchem Appetit gegessen und getrunken.«
    »Ist es bei Ihnen üblich, dass außer den Kellnern auch die Köche bei Tisch bedienen?«
    »Nicht immer, nur wenn die Gäste ein Essen auf offenem Feuer oder vom Grill bestellen. Das wird dann direkt im Speisesaal zubereitet, vor ihren Augen. Eine Art Extra-Show für die Gäste, um den Appetit anzuregen. Gewöhnlich mache ich das. Aber bei besonders feierlichen Anlässen kommt auch unser Chefkoch dazu. Am Freitag war ein solcher Anlass -Freunde der Chefin waren gekommen.«
    »Und wo ist Ihr Chefkoch?«
    »Er ist noch nicht da«, erwiderte Saiko. In seinem Tonfall schien Kolossow ein kaum verhohlener Spott mitzuschwingen.
    »Denken Sie bitte an die Liste der Speisen und die Erläuterungen«, sagte er. »Und haben Sie Verständnis dafür, wenn wir Sie noch einmal behelligen müssen.«
    »Kein Problem, das macht gar nichts. Ich weiß nur nicht recht, wie ich Ihnen helfen soll.«
    Nikita verabschiedete sich rasch. Es war nicht zu leugnen -mit dem Verhör des Kochs war er heute einfach überfordert.
    Ach, zum Teufel mit ihm, dachte er. Soll er erst mal diese Liste zusammenstellen, dann werden wir schon rauskriegen, was sie gegessen haben. Und wo möglicherweise das Gift versteckt war.
    Saiko führte ihn feierlich in den Speisesaal und kehrte in die Küche zurück. Im Saal plätscherte friedlich der Springbrunnen, gurrten die Tauben in ihren Käfigen und zwitscherten die Kanarienvögel. Auch Maria war noch hier. Sie stand vor einem Tisch, an dem eine einzelne Besucherin saß – eine auffallend dicke junge Frau mit dunklem Haar, in weiten weißen Hosen und einem übergroßen T-Shirt, über das sie einen bestickten Gazeschal gelegt hatte, wie sie in dieser Saison modern waren. Die beiden Frauen unterhielten sich leise.
    »Du kannst dir nicht vorstellen«, verstand Kolossow, »niemand von uns konnte sich vorstellen, wie das enden würde, mit was für einer Katastrophe.«
    »Ich hatte schon so eine ungute Vorahnung. Besonders nach diesem unerwarteten Anruf. Schließlich hatte er sie einen ganzen Monat nicht angerufen, so als hätte er nach der Scheidung vergessen, dass sie existiert. Und auf einmal erinnert er sich . . .«
    Eine »Katastrophe«, hatte Maria gesagt. Und die dicke Unbekannte hatte von einer »Vorahnung« gesprochen. Bei Kolossows Anblick verstummten die beiden augenblicklich.
    »Sind Sie fertig mit Ihren Vernehmungen?«, fragte Maria nach einer verlegenen Pause. ›Ja, dann . . . Darf ich vorstellen, das ist Anfissa Berg.«
    »Anfissa Mironowna«, sagte die Dicke. »Werden Sie mich jetzt auch

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