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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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brauche deine persönlichen Eindrücke.«
    »Eindrücke wovon?« Katja war etwas erstaunt über so viel Entschlossenheit. »Vom Grillen?«
    »Nein, zum Grillen wird keine Zeit sein. Und auch nicht die passende Stimmung«, bemerkte Kolossow ziemlich unklar und verwirrte Katja damit vollends. »Also ich hole dich morgen Punkt zehn Uhr ab, einverstanden?«
    Er verließ das Büro derartig eilig, dass Katja gar nicht mehr dazu kam zu sagen: »Nein, es geht nicht, Samstag kann ich auf keinen Fall!«
    Sehr spät am Freitagabend rief endlich auch der am Schwarzen Meer versumpfte »Göttergatte« an – wie Wadim Andrejewitsch Krawtschenko in Katjas privatem Wörterbuch hieß. Auch er gab sich Katja gegenüber betont männlich-lakonisch, gleichzeitig aber auch zärtlich: »Gut geht es mir! Ich bade, liege in der Sonne . . . Nein, ich bin nicht erkältet, nur ein bisschen heiser. Vom Wind natürlich, wovon sonst. Wir haben hier schon seit zwei Tagen hohen Wellengang und stürmische See . . . Nein, ich schwimme nicht weit raus . . . Ja, ich habe auch große Sehnsucht. . . Nein, eine Rückfahrkarte haben wir noch nicht gekauft. Katja, mein Engel. . . Nein, wieso denn . . . Was soll das heißen, wir saufen hier nur Wodka? Sergej und ich trinken auch Wein . . .«
    Sergej Meschtscherski kam nicht selbst ans Telefon, aber Katja konnte seine aufgeregten Ausrufe im Hintergrund hören: »Etwas sanfter! Du brummst ja wie ein Bär! Erzähl ihr vom Fitness-Studio, von unserer spartanischen Lebensweise . . .«
    Was sollte sie mit dem Göttergatten und seinem Busenfreund machen? Ihnen telegraphisch Blitz und Donner schicken? Mit Scheidung und Wiederannahme ihres Mädchennamens drohen? Schließlich hatte sie selber unbedingt nach Sotschi fahren wollen. Und es war nicht Wadims Schuld, dass sein Urlaub erheblich länger dauerte als der von Katja. So gab sie sich zufrieden, wünschte ihrem Mann alles Gute und versicherte ihm, sie habe schreckliche Sehnsucht, könne seine Rückkehr kaum erwarten und benetze inzwischen ihr Hochzeitsfoto mit heißen Tränen.
    Am Samstag wachte sie schon bei Morgengrauen auf. Sie lag im Bett, betrachtete die Sonnenstrahlen, die schräg durch den Spalt zwischen den Vorhängen fielen, hing ihren Gedanken nach und verlor sich in Mutmaßungen über den Chef der Mordkommission.
    Kolossow fand sich auf die Minute pünktlich um zehn Uhr bei ihr ein.
    »Möchtest du erst frühstücken?«, fragte Katja. »Ich bin noch nicht ganz fertig.«
    Er schaute mit strengem Blick auf die Uhr.
    »Was gibt es denn bei dir zum Frühstück?«
    »Hafergrütze, Sir«, sagte Katja giftig.
    Kolossow hasste Hafergrütze. Aber er verzehrte sie mit stoischer Gleichmut. Katja erbarmte sich schließlich und machte ihm noch ein Spiegelei.
    Im Auto entdeckte Katja auf dem Rücksitz einen großen Strauß roter Dahlien. Ihr Stolz verbot ihr, sofort die Hand danach auszustrecken und zu rufen: »Wie wunderhübsch! Sind die für mich?« Das Auto setzte sich in Gang, aber Kolossow äußerte sich mit keinem Wort zu den Blumen. Katja wurde böse.
    »Wohin fahren wir überhaupt?«, fragte sie.
    »Zur Beerdigung«, antwortete Nikita. »Heute wird in Piro-gowskoje Jelena Worobjowa begraben.«
    »Du fährst mit mir an einem Samstag, einem freien Tag, zu einer Beerdigung?«
    »Ich weiß, das ist ein unangenehmes und trauriges Unternehmen. Aber ich muss unbedingt persönlich dort sein und mir alles ansehen. Sie kommt ja aus der Familie eines Popen, verstehst du? Aber gearbeitet hat sie in einem Restaurant. Und ich möchte selbst sehen, wer alles da sein wird, die Familie und was für Leute sonst noch.«
    »Dann sind die Dahlien also für ihr Grab?«, fragte Katja und rückte ein wenig von dem in knisterndes Zellophan gehüllten Strauß ab. »Und wofür brauchst du mich?«
    »Ich möchte, dass du dir eine Meinung über diese Familie bildest.«
    »Ich verstehe nicht, wieso diese Familie dich so sehr interessiert. Was ist denn schon dabei, dass die Worobjowa die Tochter eines Priesters war? Sie selbst war jedenfalls keine Nonne!«
    »Dafür ist ihr älterer Bruder Mönch geworden«, antwortete Nikita. »Aber ich wollte mit dir nicht nur über ihre Familie reden. Ich möchte deine Ansichten zu den bisher vorliegenden Fakten hören.«
    »Bisher liegen uns nur zwei Morde vor«, antwortete Katja. »Und achte um Himmels willen auf die Straße, sonst haben wir gleich die Verkehrspolizei auf dem Hals. Was haben wir denn bis jetzt herausgefunden? Nur, dass Jelena mit dem

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