Das zarte Gift des Morgens
und fluchte erbittert, als ihm flinke Schaben aus der Backröhre entgegenhuschten. »Tee, Kaffee. Manchmal auch diese Marinade aus Gurkengläsern, die übrig bleibt wenn man die Gurken aufgegessen hat, du weißt schon. Sie schmeckt so schön sauer . . .«
»Das trinkst du morgens?«, entsetzte sich Katja.
»Es gibt im Leben eines Mannes Momente, wo er etwa: Saures braucht.«
»Ich verstehe. Und Grapefruitsaft, magst du so was auch?« fragte Katja und nahm die Saftpackung aus dem Kühl schrank.
»Nein, ein widerliches Zeug, das hat so einen bitteren Bei geschmack nach Chinin.«
»Einen Beigeschmack?« Katja stellte die Packung behutsam auf den Tisch. »Schau doch mal im Mülleimer nach – ist da die abgeschnittene Ecke der Packung?«
Kolossow schaute in den Mülleimer unter der Spüle. »Ja da ist sie.«
»Das heißt, der Saft wurde hier geöffnet. Ich zum Beispiel trinke morgens oft Saft. Besonders bei dieser Hitze.«
»Was willst du mir eigentlich sagen?«
»Ich habe Walentina angerufen. Sie hat mir die Zeit von 7 Uhr bis 7.30 Uhr als die Zeit genannt, zu der das Gift in Jelenas Magen gelangte. Die übrigen Lebensmittel im Kühlschrank sind unberührt. Außer dem Saft ist dort nichts, was geöffnet wurde.«
»Also nehmen wir den Saft mit, die leere Flasche Wein und das schmutzige Geschirr, insbesondere die Tassen. Ich bringe das alles noch heute zu Walentina, sie sitzt immer bis spät in der Nacht im Labor. Stimmt das eigentlich, Katja, was man sich über sie erzählt, dass sie eine alte Jungfer ist?«
»Das müsstest du doch besser wissen, ihr interessiert euch doch für solche Sachen besonders«, antwortete Katja bissig.
Am nächsten Morgen rief sie sofort bei Walentina Sawarsina im Labor an.
»Im Saft sind Spuren von Thalliumsulfat«, teilte Walentina mit. »Und auf der Packung ist der Einstich einer Spritze gefunden worden. Die Stelle ist anschließend mit Sekundenkleber verschlossen worden.«
»Gibt es Fingerabdrücke auf der Packung?«, fragte Katja.
»Deine, die von Kolossow und von Jelena Worobjowa selbst. Außerdem noch Spuren von Seife.«
»Seife?«
»Ich vermute, dass nach der Manipulation mit der Spritze die Packung sorgfältig mit Seife abgewaschen wurde. Jemand hat sich bemüht, alle Spuren zu beseitigen. Katja.« Walentina war offenbar sehr nervös, was bei ihr selten vorkam. »Was ist denn nun unternommen worden, hat man das Restaurant endlich geschlossen?« »Kolossow hat gesagt, bis zur Aufklärung der Todesfälle wird es vorläufig zugemacht. Ein Sonderkommando kümmert sich jetzt um die Sache. Die Angestellten sollen befragt werden, ob es Grapefruitsaft im Restaurant gibt und wenn ja, welche Marke. Und ob Jelena Worobjowa ihn aus dem Restaurant mitgenommen oder ob sie ihn in irgendeinem Geschäft gekauft hat. Wenn sich herausstellt, dass sie ihn im Geschäft gekauft hat, gibt es keinen Grund mehr, das Restaurant weiter geschlossen zu halten.«
16
Es war Samstag, ein stiller, sonniger Tag.
»Ich muss kämpfen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig«, sagte Maria Potechina.
Sie saß zusammen mit Poljakow auf der leeren Tribüne des Sportstadions im Trainingslager von Nowogorsk unweit von Moskau. Vor ihnen erstreckte sich das Fußballfeld. Das Gras darauf war gelb, von der Sonne verbrannt. Auf dem Feld liefen Spieler hin und her. Maria beobachtete mit gespanntem, zärtlichem Blick ihren ältesten Sohn Gleb. Gemeinsam mit einem anderen Spieler übte er Pässe.
»Für ihn und für Boris muss ich kämpfen«, sagte Maria. »Aber ich fühle mich schon jetzt ganz kraftlos, obwohl alles gerade erst begonnen hat.«
»Das kommt dir nur so vor, Mascha«, sagte Poljakow sanft. Er war sportlich gekleidet – Turnschuhe, Baseballkappe, weiße Jeans und ein schwarzes T-Shirt von »Puma«, aber diese jugendliche Kleidung unterstrich seine Falten und sein Alter nur noch mehr. »Wir alle werden kämpfen, das ist schließlich unsere gemeinsame Sache. Und wir sind alle auf deiner Seite, Mascha, das sollst du wissen. Wir werden gemeinsam durch die Instanzen gehen und nichts unversucht lassen.«
»Aber gestern hat man mir die beiden Gutachten gezeigt«, sagte Maria erregt, »das über Studnjow und das über Lena. Iwan, sie sind tatsächlich vergiftet worden!«
»Mascha, meine Liebe, natürlich ist das eine entsetzliche Tragödie, und wir sind alle sehr traurig, besonders über Lenas Tod, aber schließlich hätte den beiden das doch überall zustoßen können. Warum man jetzt gerade uns so
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