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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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keine Kraft mehr!«
    Kolossow schaute sie an: Auroras Antwort klang abgerissen, heftig, fast schon wütend. Und was erstaunlich war, aus ihren Worten über Studnjow sprach überhaupt keine Liebe, auch kein Kummer oder wenigstens Mitgefühl. Gleichzeitig wirkte Aurora aufrichtiger oder doch zumindest weniger unaufrichtig als bei ihrem Besuch im Präsidium.
    »Ich habe Ihr letztes Interview gelesen«, meinte Kolossow nach einer kurzen Pause, »wo Sie über Ihre Ehe mit Gussarow sprechen. Sie schonen Ihren Mann ja wirklich nicht.«
    »Ich habe die Wahrheit gesagt. Der Reporter hat mich gefragt, so wie Sie jetzt, und ich habe ihm erzählt, wie es war.«
    »Alles?«
    »Nein, natürlich nicht alles.«
    »Es gab in Ihrer Ehe also noch Schlimmeres als die Schläge und Beleidigungen, von denen Sie gesprochen haben?«
    »Weshalb wäre ich sonst gezwungen gewesen, mich scheiden zu lassen?« Aurora klickte nervös mit ihrem Feuerzeug und zündete sich eine Zigarette an. »Als ich noch im Haus meines Mannes lebte, gab es Augenblicke, in denen ich nur noch zwei Auswege sah: entweder den Strick oder mit einem Stein am Hals ins Wasser.«
    »Ist denn Gussarow wirklich ein solcher Schuft? Ich habe ihn mal im Fernsehen in irgendeiner Show gesehen. Er wirkte ganz nett und normal, machte eigentlich sogar einen sympathischen und intelligenten Eindruck.«
    »Sie haben nicht mit ihm unter einem Dach gelebt. Sie stellen mir immerzu Fragen . . . Ich habe mich ja selber hundertmal gefragt: Wie konnte es so weit kommen, warum war unsere Ehe eine solche Hölle und kein Leben? Entweder gibt es darauf gar keine Antwort, oder die Antwort ist sehr einfach.«
    »Nämlich?«
    »Er hat mich gehasst. Er hat aufgehört, mich zu lieben, und hat angefangen, mich zu hassen. Ich war ihm nur noch im Weg.« Aurora zog an ihrer Zigarette. »Und deswegen hat er mit allen Mitteln versucht, mich loszuwerden. Zuerst sollte ich nur aus seinem Haus. Aber mittlerweile glaube ich fast, dass er überhaupt. . .« Sie verschluckte sich am Rauch und begann zu husten.
    Nikita wartete geduldig, dann fragte er: »Wusste Gussarow von Ihrem Verhältnis mit Studnjow?«
    »Aber es gab überhaupt kein Verhältnis! Was für ein blödsinniges Wort. . . Begreifen Sie, zwischen uns war nichts Ernstes, genauer gesagt, es wurde nichts Ernstes, weil. . . Wie hat es denn angefangen? Plötzlich war ich allein, alles ging drunter und drüber – die Tourneen, die Reisen, mein ganzes Leben. Ich musste mich um die Kinder kümmern, eine Wohnung suchen, dann kam die Scheidung, der Streit um den Besitz, die Alimente – mit einem Wort, ich musste noch einmal ganz von vom anfangen. Und da plötzlich erscheint er. Der sympathische, junge, elegante, liebenswürdige Max. Er ist gebildet und nicht auf den Mund gefallen. Arm ist er offenbar auch nicht, und er scheint mich sogar zu lieben. Na, was hätte sich da wohl jede Frau, nicht nur ich, gedacht? Hurra, Fortuna lächelt mir zu! Endlich wieder eine Schulter, eine kräftige, zuverlässige Männerschulter, an die ich mich anlehnen, wo ich wieder durchatmen kann. Ich habe Studnjow ja schon vorher gekannt. Und immer hatte ich diesen Eindruck von ihm. Ich dachte, er ist ganz anders als mein Mann. Aber dann stellte sich heraus, dass ich mich in Max gründlich geirrt hatte. Und sobald mir das klar war, habe ich mich von ihm getrennt.«
    »Und wann war das?«, fragte Kolossow. »Diese Erkenntnis und die daraus resultierende Trennung?«
    »Sie brauchen ja gar nicht so ironisch zu sein.«
    »Entschuldigen Sie. Es ist mir so rausgerutscht. . . War dumm von mir. Sie haben sich von Studnjow getrennt -warum? War vielleicht eine andere Frau der Grund?«
    »Eine Frau?« Aurora zog verächtlich die Augenbrauen hoch. »Natürlich nicht. Max hatte ständig Weibergeschichten. Immer gab es irgendeine Frau, die er gerade anbaggerte, von der er sich trennen wollte, mit der er ins Bett ging oder Beziehungsdiskussionen führte. Mich hat das nicht interessiert. Ich habe niemals, verstehen Sie, niemals irgendwelche ernsthaften Absichten auf ihn gehabt. Die eine Ehe hat mir gereicht. Max war für mich nur eine Art Rettungsanker, verstehen Sie? Eine Schulter zum Anlehnen, ein Halt – das war es, was ich mir von ihm versprochen habe. Aber dann hat sich gezeigt. . .«
    »Ich dachte, einen Halt sucht man gerade in der Ehe. Aber vermutlich irre ich mich. Studnjow hat also nicht einmal diese Hoffnungen erfüllt?«
    »Er hat überhaupt nichts erfüllt und hatte auch nie die

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