Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
Vom Netzwerk:
Allerwichtigste.

21
    Die Tür des »Al-Maghrib« war verschlossen. Kolossow musste lange klopfen und klingeln, bis der alte Portier ihm öffnete. Höflich und etwas vorwurfsvoll nuschelte er: »Entschuldigen Sie, aber heute ist geschlossen, Putztag.«
    »Ich weiß, dass Sie geschlossen haben. Ich bin von der Miliz und möchte Frau Potechina sprechen«, sagte Nikita.
    Erst da erkannte der Portier ihn wieder. Sichtlich verwirrt ließ er ihn ein: »Maria Sacharowna? Ja, natürlich . . . Bitte sehr . . . Sie ist im Hof, der Wagen mit den Lebensmitteln ist eben gekommen. Gehen Sie durch den Speisesaal, dann durch den Flur nach rechts und noch einmal nach rechts, dort finden Sie die Tür zum Hof.«
    Maria Potechina stand neben einem klapprigen Lieferwagen mit Segeltuchverdeck und stritt sich erbittert mit dem Fahrer, der Kisten mit Tomaten, Auberginen und Gemüse entlud. Sie trug einen engen Jeansrock und eine Weste aus dem gleichen Stoff, die wie ein Korsett geschnürt und für ihren üppigen Busen entschieden zu eng war. Durch die bedrohlich straff gespannten Schnüre blitzte kokett ein schwarzer Spitzen-BH.
    »Was hast du mir da angekarrt?«, scholl es zu Nikita herüber.
    »Ich hab eine geschlagene Stunde im Stau gestanden, und das bei dieser Bullenhitze . . . Da war ein Unfall passiert. In der Sonne sind die Sachen natürlich ein bisschen schlapp geworden«, rechtfertigte sich der Chauffeur.
    »Was soll das sein – Salat?« Empört zog Maria eine Plastiktüte mit einem grünen Salatkopf aus einer Kiste. »Ein erbärmlicher Wischlappen ist das!«
    »Wenn man ein bisschen Wasser draufsprüht, geht’s schon wieder«, brummte der Fahrer.
    »Solche Ware nehme ich nicht!« Maria riss ihm den Karton aus den Händen und stopfte ihn zurück auf den Wagen. »Die Tomaten kannst du von mir aus ausladen, aber das ganze Grünzeug nimmst du wieder mit!«
    »Schreien Sie mich nicht an!«, brauste der Fahrer auf. »Sonst brülle ich zurück, ich kann das genauso gut.«
    »Immer mit der Ruhe, mein Lieber. Vergessen Sie nicht, Sie reden mit einer Dame«, mischte sich Kolossow besänftigend ein. »Guten Tag, Maria Sacharowna, ich muss Sie noch einmal sprechen.«
    Maria wirbelte herum, flink wie ein Kreisel.
    »Guten Tag. Ach, Sie sind das . . . Es ist doch nicht schon wieder etwas Schlimmes passiert?«
    »Eigentlich nicht.« Nikita zuckte die Schultern. »Neuigkeiten gibt es, ja, aber erfreuliche.«
    Maria warf ihren rabenschwarzen Pony aus der Stirn.
    »Bei Ihrem Anblick ist mir fast das Herz stehen geblieben.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich dachte, na toll, jetzt geht es wieder los und mein Blutdruck in die Höhe. Aber warum stehen wir hier herum? Kommen Sie, setzen wir uns, erzählen Sie mir Ihre guten Neuigkeiten!«
    »Wir haben heute vom Gesundheitsamt die Akte mit den Ergebnissen der Überprüfung bekommen. Es gibt keinerlei Beanstandungen. Und wir sind hier eigentlich auch fertig.« Kolossow seufzte unwillkürlich auf. »Sie können also ab morgen wieder ganz normal arbeiten.«
    »Sie sagen das mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter«, lächelte Maria. »Haben Sie sonst noch ein Anliegen an mich?«
    »Ich möchte mit Ihnen reden, Maria Sacharowna«, antwortete Kolossow bescheiden. »Deswegen bin ich durch diese Gluthitze gefahren.«
    »Nun, dann kommen sie mit, ich mache Ihnen einen Kaffee, der marokkanische Tee mit Minze beim letzten Mal war, glaube ich, nicht so ganz nach Ihrem Geschmack.« Maria lächelte wieder. »Wissen Sie, ich wollte selber auch längst einmal ernsthaft mit Ihnen reden.« Sie wandte sich an den Chauffeur des Lieferwagens. »Pascha, warte bitte einen Moment, ja? Ich schicke dir Poljakow heraus. Tomaten, Kohl, Kürbisse, Brokkoli und dies Obst hier nehme ich, der Salat geht zurück.«
    »Ganz schön anstrengend, Chefin eines gut besuchten Restaurants zu sein«, bemerkte Nikita, als er zusammen mit Maria in den kühlen Speisesaal zurückkehrte – nicht in den »Springbrunnen-Saal«, sondern in den »Kamin-Saal«, den kleineren Raum, in dem sich vor einer Woche Aurora mit ihren Freunden getroffen hatte.
    »Was dachten Sie denn? Ich muss alles persönlich kontrollieren, und jetzt natürlich erst recht, nach solchen Zwischenfallen. Haben Sie gesehen, was meine Lieferanten mir unterjubeln wollen? Nichts als Gauner ringsum.« Maria seufzte, dann schrie sie, die Sprechanlage ignorierend, mit gellender Stimme in Richtung Küche: »Einen Kaffee in den kleinen Saal und . . . Lew, sind die Rghaif

Weitere Kostenlose Bücher