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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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Schneider genäht und Poljakows hagerer Figur genau angepasst worden, trotzdem stand er ihm überhaupt nicht. Kolossow dachte bei sich: Nein, bei einem Mann sieht diese weiße Robe und besonders die Kochmütze, selbst wenn sie aus teuerstem und feinstem italienischen Leinen ist, albern aus. Es ist einfach keine Beschäftigung für Männer, am Kochtopf zu stehen.
    Poljakow reichte ihm die Hand, an der ein Ring mit einem großen Brillanten funkelte. Das Handgelenk schmückte eine goldene Schweizer Uhr.
    »Guten Tag, Sie wollten mich sehen?«, fragte er ruhig, setzte sich und wechselte einen Blick mit Maria Potechina.
    »Ja, ich habe noch ein paar Fragen an Sie, Iwan Grigoijewitsch, im Zusammenhang mit gewissen Umständen.« Nikita mimte naive Besorgtheit. »Nicht gerade angenehmen, würde ich sagen.«
    »Mit welchen denn?« Poljakow kreuzte die Arme vor der Brust.
    »Kennen Sie eine Alexandra Maslowa?«
    »Ja«, erwiderte Poljakow kurz. In seine gebräunten Wangen stieg dunkle Röte. Kolossow war fast schon amüsiert: so ein Filou . . . Man sieht nicht oft, wie ein Mann in Poljakows Alter wegen eines jungen Gänschens so flammend rot wird.
    »Dann sehe ich mich gezwungen, Sie zu fragen: Welche Beziehung haben Sie zu Frau Maslowa?«
    »Was hat das für eine Bedeutung?« Poljakow runzelte die dunklen Brauen und errötete noch stärker.
    »Leider eine sehr wichtige. Also in welcher Beziehung stehen Sie zu ihr?«
    »Einer engen. Früher jedenfalls. Jetzt nicht mehr.« Poljakow antwortete abgehackt, mit sichtlicher Überwindung. Maria machte eine Bewegung, offenbar war sie im Zweifel, sollte sie gehen oder bleiben. Nikita hielt sie mit einem Blick zurück.
    »Einer engen, aha . . . Von dieser Frau Maslowa haben wir eine mündliche Erklärung erhalten. Genauer gesagt, keine Erklärung, es war im Grunde eine Anzeige.«
    Poljakow starrte ihn finster an. Er schwieg. Maria hielt es nicht länger aus: »Und was wirft sie Iwan Grigoijewitsch vor?«
    »Den Mord an Maxim Studnjow.« Kolossow holte Luft. »Sie tauchte bei uns im Morddezernat auf und behauptete, Sie hätten ihn aus Eifersucht getötet. Ihretwegen.«
    Marias Augen wurden vor Zorn und Verblüffung ganz groß. Sie sprang halb auf und schlug mit ihrer rundlichen Faust krachend auf den Tisch.
    »Was soll das heißen?! Wanja, das ist doch . . .«
    »Warte, Mascha.« Poljakow wandte sich an Kolossow. »Ist das wahr? Frau Maslowa . . . Sascha hat so über mich gesprochen?«
    »Soll ich Ihnen die Mitschrift des Verhörs vorlesen?« Nikita bluffte. »Wir haben ihre Aussage zu Protokoll genommen. Nun weiß ich nicht, was ich damit machen soll.«
    »Aber sie lügt, dieses Biest, sie lügt schamlos! So eine Undankbarkeit!«, explodierte Maria. »Was hat Wanja alles für sie getan . . . Wie konnte sie sich nur dazu versteigen, ihn derart zu verleumden?!«
    »Bitte, Mascha, lass doch.« Poljakow sah Kolossow mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. »Das hat sie Ihnen also gesagt? Ich hätte Studnjow aus Eifersucht getötet?«
    Kolossow nickte.
    »Und Sie?« Poljakow lächelte gequält. »Haben Sie ihr geglaubt?«
    »Nein, ich habe ihr nicht geglaubt, Iwan Grigoijewitsch. Deswegen bin ich jetzt auch hier«, sagte Nikita. »Sascha Maslowa ist noch sehr jung, sie hat den Kopf voller kindischer Flausen. Sagen Sie selbst, wer begeht heutzutage noch einen Mord aus Eifersucht? Niemand. Höchstens irgendeine unreife Rotznase, aber doch kein gesetzter älterer Mann . . .«
    »Aber was wollen Sie dann von mir, wenn Sie ihr nicht glauben?«, unterbrach ihn Poljakow. Nikitas Vergleich hatte ihm sichtlich missfallen. Der Chefkoch des »Al-Maghrib« konnte seine Erregung nicht mehr verbergen. Und das fand Kolossow höchst interessant. Hatte er mit seiner Frage unwissentlich ins Schwarze getroffen?
    »Ich brauche eine Erklärung von Ihnen. Nichts weiter«, antwortete er. »Nur eine Erklärung.«
    »Sie hat also gesagt, ich hätte . . . Sie glaubt, ich wäre ihretwegen fähig zu . . . zu so etwas?« Poljakow schüttelte ungläubig den Kopf.
    Maria blickte ihn an, packte ihn fest beim Ärmel und schüttelte ihn: »Wanja . . . ich bitte dich!« Sie wandte sich an Kolossow. »Denken Sie nicht, ich wollte mich einmischen. Wanja, tu das nicht, hörst du?« Sie schüttelte ihn stärker. »Ja, sehen Sie denn nicht, dass er alles gestehen würde, nur um vor dieser undankbaren Schlampe als Held dazustehen?«
    »Ein Mord hat wenig mit Heldentum zu tun«, sagte Kolossow belehrend. »Auch nicht, wenn er einer

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