Das Zauberer Handbuch
abgewickelt, die jede zu veröffentlichende Geschichte genau prüft und in den großen Handlungsrahmen einbettet. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass unser Exposé und unser späterer Roman inhaltlich auch Gemeinsamkeiten aufweisen, was, wie ich gehört habe, nicht immer der Fall ist – manche Kollegen fühlen sich durch das Korsett eines Exposés in ihrer erzählerischen Freiheit eingeschränkt und finden erst während der tatsächlichen Schreibphase zur eigentlichen Handlung. Wie ihr persönlich damit zurechtkommt, müsst ihr letzten Endes selbst herausfinden – von mir gibt es jedenfalls eine klare Empfehlung für das Exposé.
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Vom Reiz fremder Welten
Ich erwähnte es bereits: Wer einen phantastischen Roman schreibt, genießt einen in der Literatur wohl einzigartigen Luxus – sich für die Handlung seine eigene Welt ersinnen zu können.
Natürlich genießt auch der Verfasser eines historischen Romans gewisse Freiheiten, was die Darstellung weit zurückliegender Epochen wie etwa des Mittelalters oder der Antike angeht, denn schließlich gibt es keine Zeitzeugen mehr, die aus erster Hand berichten könnten, wie es damals gewesen ist. Sowohl durch geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse als auch durch die mediale Tradition ist der Autor jedoch festgelegt und kann nicht einfach seine eigene Version einer vergangenen Epoche vorlegen – in der Fantasy hingegen ist dies problemlos möglich, und zwar in allen Spielarten, die nur vorstellbar sind: Wir können unsere Geschichten in prähistorischer Zeit spielen lassen, wie es Robert E. Howard getan hat; wir können eine alternative Version der Geschichte vorlegen, wie es z.B. Steampunk-Romane tun; wir können eine Parallelwelt zur Realität entwerfen wie Michael Ende in DIE UNENDLICHE GESCHICHTE; wir können mit Versatzstücken der historischen Realität spielen wie Suzanne Collins in DIE TRIBUTE VON PANEM oder ich selbst in den SPLITTERWELTEN; wir können eine auf Mythen basierende Phantasiewelt à la Mittelerde entwerfen; oder wir können eine komplett neue Welt nach unseren eigenen Vorstellungen und Maßgaben entstehen lassen.
Die Möglichkeiten, die sich bieten, sind beinahe endlos – zunächst jedenfalls. Denn ganz so frei, wie man auf den ersten Blick vermuten sollte, sind auch wir Fantasy-Autoren nicht. Haben wir uns nämlich erst einmal für ein Setting entschieden und es mit unseren eigenen Gesetzmäßigkeiten versorgt, so sind diese für uns bindend und wir sind, wie schon im Kapitel über die Recherche erwähnt, verpflichtet, bei uns selbst nachzuschlagen, um inneren Widerspruch zu vermeiden und die Illusion unserer fiktiven Welt zu erhalten.
Es hat auch Gegenversuche gegeben – Serien, die von mehreren Autoren geschrieben wurden, wodurch sich Unstimmigkeiten in der Gestaltung und Beschreibung des Szenarios ergaben, aber auch solche, die bewusst »flexibel« konzipiert wurden, um dem Autor die größtmögliche Freiheit zu belassen. Ehrlich gesagt bin ich kein Freund solcher »Konzepte«. Wer den Anspruch hat, seine Leser in eine andere Welt zu entführen (noch dazu gegen Bezahlung), sollte nicht den Aufwand scheuen, ihnen das Erlebnis eines in sich geschlossenen Kosmos zu vermitteln.
Auch wenn dieser Aufwand ganz beträchtlich ist …
Neue Welten …
Natürlich gibt es keine allgemeingültigen Regeln dafür, wie man mit dem Aufbau einer fiktiven Welt zu beginnen hat. Persönlich habe ich jedoch die Erfahrung gemacht, dass eine Kartenskizze den praktikabelsten Einstieg ermöglicht. Zu diesem Zeitpunkt kenne ich ja bereits den ungefähren Ablauf der Handlung, weiß also, welchen geografischen Begebenheiten die Helden und Schurken unterwegs begegnen werden und kann meine Landschaft entsprechend gestalten. Man kann aber durchaus auch den umgekehrten Weg gehen und zuerst eine Welt kreieren, an deren geografischen Gegebenheiten sich dann die Handlung ausrichtet. Sich solchen künstlichen Zwängen zu unterwerfen, kann manchmal durchaus nützlich sein, da sich die Kreativität paradoxerweise unter gewissen Einschränkungen bisweilen besser entfaltet. Ein befreundeter Architekt hat mir einmal erzählt, dass er lieber an Projekten arbeitet, die gewissen Planungsvorgaben unterliegen, als an solchen, bei denen er seiner Phantasie freien Lauf lassen darf – das Phänomen ist also nicht berufsspezifisch.
Häufig ist es auch so, dass sich die Methoden nicht eindeutig trennen lassen und während der Arbeit am Exposé eine sehr deutliche
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