Das Zauberer Handbuch
fest definierte Gattung. Genaue Vorschriften gibt es dafür nicht, wenngleich das, was wir irgendwann in der Schule zum Thema »Inhaltsangabe« gelernt haben (gestraffte Sprache, Tempus Präsens, indirekte Rede etc.) durchaus hilfreich ist. Auch was die Länge betrifft, herrscht kein echter Zwang – ein Kurzexposé kann lediglich eine Seite umfassen, ein ausführliches Kapitelexposé schon mal vierzig oder mehr. Letztlich kommt es darauf an, was wir mit unserer Inhaltsangabe bezwecken wollen. Geht es z.B. nur darum, dem Verlag eine Vorabinformation zu geben, so genügen wenige Seiten. Will man das zuständige Lektorat für einen Stoff gewinnen, so sollte das Exposé schon etwas ausführlicher sein, damit man die verschiedenen Handlungsstränge und Figurenentwicklungen angemessen darstellen kann – andererseits sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass Lektoren viel beschäftigte Leute sind und sich deshalb so kurz wie möglich fassen. Ein ausführliches Exposé, das in aller Genauigkeit schildert, was Kapitel für Kapitel geschieht, ist daher kaum geeignet, um sich auf die Suche nach einem Verlag zu begeben. Stößt ein Stoff auf Interesse, so wird das betreffende Lektorat von sich aus nach mehr Material fragen.
Für die eigene Arbeit hingegen, also das Ausformulieren des Romans, stellt das ausführliche, nach Kapiteln gegliederte Exposé (daher der Name Kapitelexposé) eine unentbehrliche Grundlage dar, denn es zwingt uns »plottende« Autoren dazu, die Handlung mit all ihren Twists und Entwicklungen noch einmal bis ins Detail nachzuvollziehen – und dabei stößt man nicht selten auf Stellen, die noch verbesserungsbedürftig sind. Ein gutes Kapitelexposé gibt, ähnlich wie ein Treatment beim Film, nicht nur den Handlungsverlauf in all seinen Höhepunkten und Wendungen wieder, sondern lässt auch schon Schlüsse auf den Erzählrhythmus und das Handlungstempo zu. Auch ist es sprachlich durchaus schon ausgefeilter als das Kurzexposé und kann sogar schon die eine oder andere Dialogskizze enthalten.
Wenn ich am Kapitelexposé sitze, passiert es oft, dass mich der Schreibfluss mitreißt und ich bereits ganze Passagen oder Dialoge ausformuliere, ganz einfach weil ich nun in der Geschichte »drin« bin und die vielen Ideen und Assoziationen, die sich nun fast automatisch einstellen, nicht einfach wieder entschlüpfen lassen will. Für die weitere Arbeit am Roman sind solche »Ausbrüche« eine wertvolle Unterstützung, zumal sie auch zeigen, wie weit die Identifikation mit dem Stoff bereits vorangeschritten ist.
Als ich das Exposé zu DIE ZAUBERER schrieb, blieb ich beispielsweise bei der Szene hängen, die Granock bei seiner Aufnahme in die Ordensburg zeigt. Beim Dialog zwischen ihm und dem Kobold Ariel ergab ein Wort das andere, und im Nu waren zwei Stunden vergangen, die Szene komplett im Kasten, wie unsere Freunde vom Film wohl sagen würden. Natürlich müssen derlei Passagen später noch überarbeitet und in den dann bestehenden Sprachfluss eingearbeitet werden, aber sie stellen ein wichtiges Bindeglied zwischen dem reinen Exposé und dem ausformulierten Roman dar.
Falls ihr euch schon mal an einem Exposé versucht habt und es euch nicht recht gelingen wollte, lasst den Kopf nicht hängen – das Verfassen von Exposés ist gar nicht so leicht und eigentlich eine kleine Kunstform für sich (vor allem dann, wenn es darum geht, das Interesse von Verlagen zu wecken). Hier gilt wie so oft, dass Übung den Meister macht. Auch wenn es euch in der Schule tierisch genervt hat – seid euch nicht zu schade dafür, Inhaltsangaben zu ein paar Büchern zu erstellen, die ihr gelesen habt und deren Inhalt euch noch gut in Erinnerung ist. Nur einfach so, um euch an diese doch ganz andere Art der Darstellung zu gewöhnen. Der klassische Weg, ein Erstlingswerk veröffentlicht zu bekommen, besteht nach wie vor darin, ein komplettes Manuskript an ein Lektorat oder eine Agentur zu schicken – ein gelungenes, bereits vorab verschicktes Exposé kann allerdings helfen, das Terrain zu sondieren und so sicherzustellen, dass »man« auch gelesen wird.
Persönlich habe ich nur gute Erfahrungen mit dieser Vorgehensweise gesammelt, durch die ein (noch) unbekannter Autor für einen Verlag zu einer berechenbareren Größe wird. Ein Exposé gibt einem Lektor ein gewisses Maß an Kontrolle über unser späteres Werk, nicht von ungefähr werden lang laufende Serien wie PERRY RHODAN oder MADDRAX über eine Exposéredaktion
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