Das Zauberer Handbuch
eigenständig ist (und damit frei von Copyright-Ansprüchen) und mit ihren hellen Vokalen und Lispellauten dennoch auf jene Weise »elfisch« klingt, die sich spätestens seit den HERR-DER-RINGE-Filmen eingebürgert hat.
Beim Zweiteiler LAND DER MYTHEN hingegen nahm ich wieder einen anderen Weg – da die Geschichte in »Allagaín«, dem Allgäu der grauen Vorzeit angesiedelt ist, schaute ich mich in der Frühgeschichte meiner einst von Kelten besiedelten Heimat um. Da im Zuge der Eroberung durch die Römer die keltischen Spuren so gut wie verschwunden sind, weiß heute niemand mehr, welche Sprache diese frühen keltischen Stämme tatsächlich sprachen oder wie sie sich anhörte. Für Geschichtsforscher und Linguisten mag das eine herbe Enttäuschung sein – für die Phantasie eines Autors ist es natürlich eine Steilvorlage, und so begann ich, aus den noch bestehenden keltischen Sprachen eine Art Protokeltisch zu entwickeln, das ich dann als die »Alte Sprache« in die LAND DER MYTHEN-Saga einführte.
Selbstzweck sollte die Kreation einer eigenen Sprache allerdings niemals werden, sondern stets dem dramaturgischen Nutzen unterworfen sein. Als ich meinen amerikanischen Autorenkollegen Dan Wells (ICH BIN KEIN SERIENKILLER) einmal fragte, wie sich denn die deutsche Sprache für amerikanische Ohren anhöre, überlegte er einen Moment lang und antwortete dann ganz offen, aber doch ein wenig vorsichtig, weil er mich nicht kränken wollte: »Angry. It sounds angry …« Geben wir uns also keinen Illusionen hin – der Grund dafür, dass Deutsche gerade in englischsprachigen Ländern als verbissen und humorlos gelten, hat ganz sicher auch mit dem »ärgerlichen« Klang unserer Sprache zu tun, der uns ohne dass wir es wollen ein Stück weit charakterisiert. Nun sind derlei oberflächliche Typisierungen im realen Leben zwar hinderlich, als Autoren können wir daraus jedoch Nutzen ziehen, indem wir unsere Protagonisten über den Klang ihrer Sprache zusätzlich charakterisieren.
Äußere und innere Logik
Zuletzt noch ein Wort zum »unzivilisierten« Teil unserer fiktiven Welten, zur Natur. Anders als die Science Fiction unterliegt die Fantasy wie gesagt nicht dem Zwang, dass alles Dargestellte wissenschaftlich erklärbar sein muss, dennoch gibt es gerade in der SF wunderbare Anregungen für sehr überzeugend angelegte künstliche Welten. Der Planet Arrakis aus Frank Herberts DUNE-Romanen gehört für mich zu den am schlüssigsten konstruierten Welten überhaupt – eine trockene Wüstenwelt, durch deren Tiefen sich riesige Sandwürmer wühlen. Obwohl die Szenerie abenteuerlich phantastisch ist und niemand behaupten kann, je einen Sandwurm gesehen zu haben, gelingt es Herbert, den Leser in die Realität seiner Welt zu ziehen und auch nicht den Hauch eines Zweifels über ihre innere Logik aufkommen zu lassen, was nicht zuletzt auch an ihren Ureinwohnern, den Fremen liegt, deren orientalisch inspirierte Kultur einen durch und durch glaubhaften Hintergrund für den Wüstenplaneten abgibt.
Nicht viel anders hat es James Cameron bei AVATAR gemacht, nur dass er sich von indianischen Einflüssen inspirieren ließ und seinen Planeten Pandora zu einer ins Phantastische gesteigerten Version des irdischen Regenwalds gemacht hat. Zahlreiche Fachleute und Wissenschaftler trugen dazu bei, die Tiere und Pflanzen Pandoras bei aller Exotik und Unwahrscheinlichkeit dennoch realistisch erscheinen zu lassen, bis hin zur spektakulären Bioluminiszenz, die den Wald bei Nacht beleuchtet. All das bildet jedoch nur den Hintergrund für eine Geschichte, die in nahezu allen Punkten der klassischen Heldenreise folgt, inklusive des Todes und der Neugeburt des Hauptprotagonisten, was bei aller Wissenschaftlichkeit beweist, dass es letztlich auf eine starke und überzeugende Story ankommt.
Macht euch also nicht zu viele Gedanken darüber, ob die Biologie eurer Welt so funktionieren würde, wie ihr sie darstellt, ob der Kreislauf von Werden und Vergehen, der jedes Ökosystem kennzeichnet, tatsächlich so stattfinden könnte – letztlich wird euer Roman stets nur einen kleinen Teil davon abbilden. Die viel wichtigere Frage ist, ob eure Welt und ihre Bewohner zur Handlung passen, ob sie die Dramaturgie eures Romans unterstützen oder ihr zuwiderlaufen. In seinem Roman DER AZURNE PLANET schildert Altmeister Jack Vance z.B. auf packende Weise eine exotische, aus riesigen Bäumen bestehende Dschungelwelt, die den perfekten Hintergrund für seine
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