Das Zaubergift
von Astral Trippelmond geborgt habe.
Es ist nicht einfach, einen Spruch zum ersten Mal zu spinnen. Es braucht Zeit, Bedachtsamkeit und Vorbereitung. Da jedoch unten nur Gurdh die Garde aufhält und Makri versucht, Donax in ein kompliziertes Gespräch zu verwickeln, bei dem sie so tut, als wäre sie nicht der Landessprache mächtig, bleibt für Gründlichkeit keine Zeit. Ich zerre die Rolle heraus, flitze in mein Schlafzimmer und singe ihn über der schlafenden Gestalt von Matahari. Nichts passiert, nicht mal das übliche Abkühlen der Luft, wenn Magie ausgeübt wird. Also habe ich keine Ahnung, ob der Spruch funktioniert oder nicht. Als ich wieder in mein Büro zurückkomme, stampft Präfekt Tholius mit sechs Gardisten im Schlepptau durch die Eingangstür. Gleichzeitig hetzt auf der Außentreppe ein höchst verärgerter Donax sechs seiner Schläger auf Makri.
Donax ist der neue Bruderschaftsunterhäuptling von Zwölf Seen. Er war die Nummer zwei hinter Corleonaxas und hat den Unterhäuptlingsrang geerbt, als Corleonaxas vor einigen Wochen vom Freundeskreis umgebracht wurde. Der Freundeskreis ist die mit der Bruderschaft rivalisierende kriminelle Organisation in Turai, und sie kontrollieren den Norden der Stadt. Donax ist sehr darauf bedacht, seine Autorität zu wahren, und er ist absolut nicht erfreut, wenn man ihn warten lässt.
»Was hat sich Thraxas denn da für eine Gespielin angelacht? Die spricht ja nicht mal unsere Sprache!«, erkundigt er sich. Makri runzelt die Stirn. Es gefällt ihr gar nicht, unter der Rubrik Gespielin geführt zu werden.
»Das ist seine orgkische Freundin«, erwidert Conax. Conax ist ein Handlanger der Bruderschaft, Donax’ Mann fürs Grobe – dumm, aggressiv und feindselig. Donax, der auch nicht gerade ein Engel ist, sieht sich misstrauisch in meinem Büro um.
Präfekt Tholius weiß jetzt nicht mehr, wie er weiter vorgehen soll. Als Präfekt von Zwölf Seen sollte er hier theoretisch das Sagen haben, aber er weiß, dass er in Wirklichkeit Donax nicht herumschubsen kann. Und da er weder den Bruderschaftsunterhäuptling beleidigen noch seine Unterlegenheit ihm gegenüber zugeben will, steckt er in einem unschönen Dilemma. Was man ihm auch sehr deutlich anmerkt.
Donax dagegen wirkt alles andere als perplex. Er ist ein gefährlicher Kerl, und genauso sieht er auch aus. Er ist groß, muskulös und lächelt nie. Er dürfte etwa so um die vierzig sein, und sein schwarzes Haar ist zu einem langen, straffen Zopf geflochten, der ihm über den Rücken hängt. Er trägt ein einfaches braunes Wams, und goldene Kreolen baumeln an seinem Ohr. Im Gegensatz zu vielen anderen Bandenhäuptlingen legt er keinen Wert auf Protz, und er tragt außer den Ohrringen keinerlei Schmuck. Sein Schwert steckt in einer schlichten schwarzen Scheide. Er ist innerhalb der Bruderschaft von ganz unten nach ganz oben aufgestiegen, und das gelingt nur jemandem, der sehr gerissen und sehr rücksichtslos ist.
»Wir suchen ein Weib namens Matahari.«
»Nie von ihr gehört. Kennst du jemanden, der Matahari heißt, Makri?«
Makri schüttelt den Kopf. Sie hat ihr Messer noch in der Hand. Sie ist wütender als ein mürrischer Magier, weil Conax sie einen Orgk genannt hat. Es bedarf nicht mehr viel, und sie stürzt sich in einen Kampf mit allen – Gardisten und Gaunern. Und falls die jetzt Matahari finden und sie mitnehmen wollen, wird es zweifellos genau dazu kommen.
Donax gibt ein Zeichen, und seine Gefolgsleute fangen mit der Durchsuchung an. Der Bruderschaftsunterhäuptling begrüßt Präfekt Tholius ohne sichtbares Zeichen von Respekt und erkundigt sich beiläufig, was den Präfekten denn wohl hierher führen könnte.
»Wir suchen ebenfalls diese Frau namens Matahari. Sie wird des Mordes und der Brandstiftung beschuldigt.«
Donax knurrt. »Wenn wir mit ihr fertig sind, dürfte für einen Prozess nicht mehr genug von ihr übrig sein.«
»Wer ist das denn?« Tholius deutet auf Bibendis, die immer noch friedlich auf meiner Couch schlummert.
»Eine Klientin.«
»Schlafen Eure Klientinnen immer hier?«
»Nein. Nicht immer. Nur wenn sie müde sind.«
Die Brüder der Bruderschaft betreten mein Schlafzimmer. Zwei Zivilgardisten folgen ihnen. Mein Herz hämmert schmerzhaft in meiner Brust, und ich verwünsche Makri im Stillen. Wenn sie schon einer Mörderin und Brandstifterin hier Unterschlupf gewährte, musste es dann ausgerechnet eine sein, die so vielen einflussreichen Leuten gleichzeitig auf die Zehen getreten
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