Das Zaubergift
zwei junge Mönche und ein alter, ehrwürdiger. Die jungen bleiben respektvoll stehen, während ich rasch einen Stuhl freiräume, damit ihr Herr sich setzen kann. Trotz seines sichtlich hohen Alters geht er rasch und geschmeidig, und als er sich setzt, hält er sich gerade, als hätte er einen Besenstiel verschluckt.
Er grüßt mich mit einer viel kräftigeren Stimme, als man sie bei einem solch alten Mann erwarten würde. Der Bursche hat offenbar ein sehr gesundes Leben geführt. Vermutlich hat er weder getrunken noch Thazis geraucht.
»Vergebt uns, dass wir ohne jede Voranmeldung bei Euch hereinplatzen. Wir sind nicht oft in der Stadt, und ich dachte, es wäre das Beste, zu sehen, ob wir Euch vielleicht zufällig antreffen. «
Höflichkeit weckt bei mir grundsätzlich Misstrauen. Ich beäuge ihn argwöhnisch. »Wie kann ich Euch helfen?«
»Wir möchten Euch engagieren, eine Statue zu suchen«, sagt mein ehrwürdiges Mönchlein.
Na, was für ein Zufall. Da sitze ich ihm gegenüber und habe ein Zwei-Tonnen-Reiterstandbild in der Tasche. »Dann schießt mal los«, fordere ich ihn auf.
7. KAPITEL
Der alte Mönch heißt Heretius. Der Ehrwürdige Heretius. Die beiden anderen Mönche haben anscheinend keine Namen, jedenfalls werden sie mir nicht vorgestellt. Ich weiß nicht genau, ob ich die beiden Jüngeren nicht zwischen denen gesehen habe, die sich in Thalius Garten geprügelt haben. Mit ihren rasierten Schädeln und den gelben Roben sehen sie alle gleich aus. Ich erwähne den Vorfall jedoch nicht. Sie auch nicht.
Heretius erzählt mir eine interessante Geschichte. Er hat eine sehr sonore Stimme, die mich an die eines freundlichen alten Zauberers erinnert, der mich einmal unterrichtet hat. Er hat mir beigebracht zu schweben. Im Alter von fünfzehn konnte ich mich zehn Zentimeter über den Boden erheben. Hat aber nie lange gedauert. Und außerdem scheine ich diese Kunst sofort verloren zu haben, nachdem ich mit sechzehn mein erstes Bierchen zischte.
»Wir sind Angehörige des Wolkentempels. Wir leben und beten in einem Kloster in den Bergen.«
Ich nicke. In der entlegenen nördlichen Gebirgskette, die an Nioj grenzt, findet man viele isolierte religiöse Orden. Aber es ist schon lange her, seit ich das letzte Mal dort war. Genau genommen war das vor fünfzehn Jahren, während des letzten Krieges mit Nioj. Der Gedanke weckt einige sehr starke Erinnerungen in mir. Damals war Turai stärker, und zwar nicht nur deshalb, weil ich noch in der Armee war. Alle Bürger waren verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Damals waren wir noch stolz darauf. Niemand kam in dieser Stadt zu etwas, wenn er nicht zuerst seinem Land gedient hatte. Jetzt kauft sich die halbe Stadt vom Militärdienst frei, und König Reeth-Lackal muss stattdessen Söldner anheuern. Viele unserer Senatoren haben noch nie ein Schwert in der Hand gehabt. Vor ein paar Jahren wäre das noch unerhört gewesen. Und es wird uns irgendwann ins Verderben stürzen.
Ich weiß noch, wie wir eines Tages weit oben in den Hügeln den Vormarsch der niojanischen Invasionstruppen zum Stillstand brachten. Wir vernichteten ihre Legionen und hielten einen Pass. Hauptmann Rallig war damals auch dabei. Er war ein junger Soldat, wie ich. Wir standen in einer Phalanx, die langen Speere in der Hand, und wenn sie zerbrochen waren, trieben wir die Niojaner mit unseren Schwertern zurück. Wir hätten sie ganz zurückgeworfen, wenn nicht einige ihrer Legionen einen anderen Pass erobert hätten und uns in die Flanke gefallen wären. Danach blieb uns nur ein verlustreicher Rückzug und ein verzweifelter Kampf direkt vor unseren Stadtmauern. Und selbst dort hielten wir sie noch auf, trotz der gewaltigen Überlegenheit ihrer Streitmacht. Die niojanische Armee war viermal so groß wie unsere – auch damals schon.
Schließlich wurden wir in die Stadt zurückgetrieben und belagert. An jeder Mauer standen Belagerungstürme und Leitern, und wir kämpften um unser Leben. Unsere Zauberer hatten ihre Zaubersprüche aufgebraucht und griffen zu den Waffen, um den Verteidigern Beistand zu leisten. Die Frauen der Stadt taten es ihnen nach. Selbst die Kinder machten mit, warfen Steine und Schieferstücke von den Mauern auf das Meer der Feinde, das von unten gegen die Wälle brandete. Und dann, gerade, als die Niojaner über die Mauern stürmen wollten, erreichte uns die Nachricht, dass die Orgks vom Westen her angriffen. Sie überrollten die Wüsteneien mit der größten Armee, die unsere Welt
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