Das Zaubergift
recht. Kahlköpfige Mönche. Ich kann im Dunkeln leider die Farbe ihrer Kutten nicht erkennen. Sie kommen immer näher. Aber Nummer fünf lebt. Er bewegt sich, als die Mönche ihn behutsam auf den Boden legen, wo er sich aufrichtet und hinsetzt, als meditiere er. Schließlich knien sich die Mönche vor der Gestalt nieder, die sie abgesetzt haben, und starren ihn im dämmrigen Licht der Kerzen an. Aus ihrer ehrfürchtigen Haltung schließe ich, dass es sich bei der Person um Vexial den Sehenden handeln muss.
Meine Augen gewöhnen sich allmählich an das Dämmerlicht. Da tritt noch jemand an seine Seite. Die Person kann kein Mönch sein. Dafür hat sie zu viele Haare. Es ist eine junge Frau. Vermutlich Lolitia.
Vexial hebt die Hand, als wolle er sprechen und Aufmerksamkeit erheischen. Doch etwas lenkt ihn ab, und er hält inne. Dann dreht er den Kopf in unsere Richtung.
»Wer ist da?«, fragt er.
Wir erstarren. Ich schwöre, dass er uns in dieser Dunkelheit in der Deckung der Büsche unmöglich sehen konnte.
»Tretet hervor!«, befiehlt er. »Ihr könnt Euch vor Vexial dem Sehenden nicht verbergen.«
»Na gut«, erkläre ich und zeige mich in voller Lebensgröße. »Es wurde sowieso ein bisschen eng da drin. Ihr habt verdammt scharfe Augen. Aber das ist ja auch zu erwarten von … Vexial dem Sehenden.«
Die vier Mönche erheben sich sofort und bauen sich zwischen ihrem Anführer und mir auf.
»Was wollt Ihr?«, verlangt Vexial zu wissen. »Und was hat das zu bedeuten, dass Ihr uneingeladen in diesen Garten eindringt?«
Etwas ist merkwürdig an der Art, wie er da so hockt. Es scheint fast so, als würde die Frau an seiner Seite ihn in Wahrheit stützen. Mein erster Gedanke ist, dass ich mal wieder einen weiteren bedauerlichen Boah-Süchtigen vor Augen habe, aber seine Stimme ist dafür zu klar und zu sicher.
»Was ich will? Ein Wörtchen mit der jungen Dame reden, hauptsächlich. Und zwar über Gesox. Das ist der ehemalige Schüler des erst kürzlich verschiedenen Ehegatten dieser Dame, Rodinaax, und er ist jetzt ein im Kerker schmachtender Gefangener, der seinem Eil-Prozess und einer schnellen Hinrichtung entgegensieht. Und danach würde ich auch gern einige Worte mit Euch wechseln. Zum Beispiel darüber, warum Eure Mönche mich durch die ganze Stadt verfolgen, meine Zimmer durchwühlen und mir in dunklen Gassen auflauern!«
Noch mehr Mönche treten aus dem Haus und bauen sich in dem Dämmerlicht dicht hinter Vexial auf. Ich frage mich, wie viele sich wohl noch in der Villa aufhalten. Ich habe meinen Schlafzauber verbraucht und weiß nicht, mit wie vielen Kampfmönchen Makri und ich auf einmal fertig werden können.
Vexial will sprechen, hält aber erneut inne und stöhnt kaum hörbar auf. Sein Gesicht verzerrt sich. Offenbar hat er starke Schmerzen und ringt um seine Beherrschung. Seine Anhänger kümmern sich besorgt um ihn. Er ist eindeutig ein kranker Abt. Als Vexial vornübersinkt, nimmt Lolitia eine kleine Flasche aus ihrem Beutel und fängt an, seine Lippen und seine Stirn mit einer Flüssigkeit zu betupfen. Keiner der Mönche scheint eine Ahnung zu haben, was sie jetzt tun sollen. Sie sind alle jung, und ich merke, dass die Qualen ihres Anführers ihnen Angst einjagen. Ich trete vor und schiebe die Mönche beiseite.
»Was hat er denn?«
Lolitia sieht mich verzweifelt an. Niemand versucht, mich zu hindern, als ich die Kerze nehme und zu der Decke hinuntergreife, die über seinen Beinen liegt. Sie sind in einem bedauernswerten Zustand, verdreht und mehrfach gebrochen.
Zwar werden sie von Schienen und Bandagen gehalten, aber überall dringt Blut heraus, und die Haut ist an den Stellen, wo sie zu sehen ist, schwarz und vereitert. Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Wundbrand einsetzt, falls er nicht schon längst in seinem Fleisch wütet. Ich würde sagen, dass Vexial der Sehende noch etwa einen Tag und eine Nacht zu leben hat, vielleicht sogar weniger.
10. KAPITEL
Wir warten darauf, dass die Heiler endlich eintreffen«, erklärt mir Lolitia. Ihre Stimme klingt verzweifelt, beinah hoffnungslos. Zu Recht. Kein Heiler kann Vexial den Sehenden jetzt noch retten. Seine Beine sind so oft gebrochen, dass er sich vermutlich nur noch durch bloße Willenskraft und dank seiner strengen Ausbildung so lange am Leben halten konnte. Mit solchen Verletzungen hätten die meisten Menschen längst aufgegeben und wären gestorben.
»Was ist passiert?«
Lolitia antwortet nicht. Ich betrachte Vexial. Er schlägt
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