Das Zaubergift
sollte?«
Dieser Themenwechsel überrumpelt mich total.
»Du hast mir doch einmal gesagt, dass es ein Tabu für Elfen sei, sich den Körper zu durchbohren«, meint Makri. »Hast du dir das nur ausgedacht?«
»Nein, das stimmt.«
»Na ja, ich kann den Ring ja immer noch herausnehmen, wenn es so weit ist. Was hältst du davon, wenn ich auch meine Brustwarzen durchbohre?«
»Das solltest du nur dann tun, wenn du die Elfen vollkommen in Panik versetzen willst. Und warum zum Teufel willst du es eigentlich tun? Niemand wird den Ring jemals zu sehen bekommen.«
Makri hat keine Liebhaber. Nie. Sie erklärt das damit, dass sie vielleicht Interesse hätte, wenn nicht alle Männer in Zwölf Seen so widerlich wären. Ich muss zugeben, dass sie da nicht ganz Unrecht hat.
»Cimdy hat ihre Brustwarzen durchbohrt. Sie hat mir gezeigt, wie …«
»Könnten wir bitte das Thema wechseln? Ich plaudere gern mit dir über die Vorlesungen. Aber auf intime Einzelheiten von Körperverstümmelungen würde ich lieber verzichten.«
Makri gibt vor, verwirrt zu sein. »Ist das auch wieder eines von euren ›Zivilisationsdingen‹?«
Der Ruf zum Abendgebet, zum so genannten Sabbav, schreckt uns auf.
»Jetzt siehst du, was du angerichtet hast, Makri. Hättest du nicht angefangen, über dieses Körperdurchbohren zu reden, hätten wir es noch rechtzeitig vor den Gebeten nach Hause geschafft. Ich würde gern mit einem Bierchen in der Hand auf meiner Couch sitzen. Jetzt müssen wir uns in den Dreck knien und beten.«
Darum kommen wir nicht herum. Wo auch immer man sich befindet, wenn der Ruf von den hohen Türmen ertönt, betet man.
Die meisten Leute, die diese Verpflichtung ernster nehmen als Makri und ich, sind entweder nach Hause oder in einen Tempel gegangen. Entweder um zu beten oder um sich zu verstecken, bis alles vorbei ist. Aber es gibt noch einige andere Nachzügler. Wir knien uns zusammen mit den Leuten, die auf der Straße wohnen und nirgendwohin flüchten können, in den Dreck. Es ist ärgerlich. Vor allem, weil die Rächende Axt von hier aus zu sehen ist. Aber wir können nichts dagegen tun. Makri unterwirft sich diesem Akt der Demut besonders ungern, weil sie nicht an die Lehre der Wahren Kirche glaubt.
Aber Ausnahmen sind nicht erlaubt, und wenn man gegen dieses Gesetz verstößt, bedeutet das Gefängnis.
Ich murmele mich durch die Abendgebete. Die Sonne scheint immer noch heiß, und ich spüre schmerzhaft den harten Boden unter meinen Knien. Ich tröste mich mit dem Gedanken an Gurdhs Bier, das in wenigen Minuten auf mich wartet. Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkommt, ertönt der Ruf, der das Ende der Gebete verkündet. Im selben Moment habe ich das starke Gefühl, dass irgendetwas überhaupt nicht stimmt. Ich spüre große Gefahr. Ich habe mich schon fast aufgerichtet, als ich mich noch einmal flach auf den Boden werfe.
Ein Armbrustbolzen schwirrt an mir vorbei, und ich spüre ein scharfes Ziehen an meinem Arm, als etwas daran zupft. Im Fallen stürze ich gegen Makri, und wir fallen übereinander. Ich blicke hoch. Mein Arm ist etwas blutig, aber ansonsten ist alles Ordnung.
»Diese verdammte Sarin!«, knurre ich und ziehe mein Schwert.
Da erst bemerke ich, dass Makri sich nicht rührt. Sie liegt mit dem Gesicht nach unten im Dreck. Ich rolle sie sanft herum. Ein Armbrustbolzen steckt in ihrer Brust. Sarins Armbrustbolzen sind etwa zwanzig Zentimeter lang. Dieser hier ist mindestens achtzehn Zentimeter in Makris Brust eingedrungen. Blut strömt aus der Wunde. Ich lege meine Hand an ihren Hals. Kein Puls mehr zu spüren. Rasch halte ich mein Ohr direkt an ihren Mund. Sie atmet nicht mehr. Der Bolzen, der ganz offensichtlich mir galt, hat sich tief in ihr Brustbein gebohrt. Makri ist tot.
14. KAPITEL
Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich wie erstarrt vor Entsetzen. Ich sehe mich nicht um, ob Sarin noch in Sicht ist. Und ich komme nicht einmal auf die Idee, mich vor einem möglichen zweiten Bolzen in Sicherheit zu bringen. Ich starre nur Makri an, die tot vor mir auf der Straße liegt.
Einige Leute, die in unserer Nähe gebetet haben, rücken von uns ab. Ich achte nicht auf sie, als ich Makris Leichnam hochhebe und hilflos damit die wenigen Meter zur Rächenden Axt stolpere.
»Ruft die Garde!«, schreit jemand.
Aber die kann hier auch nichts mehr ausrichten. Ich kann nicht glauben, was soeben passiert ist. Makris Körper fühlt sich leicht an, und sie hängt schlaff in meinen Armen, als ich die
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