Das Zaubergift
verzweifelt nach einem Mietlandauer. In dem ersten, der mir begegnet, hockt irgendein untergeordneter Stadtbüttel. Ich greife in die Zügel, bringe den Landauer zum Stehen und ziehe mein Schwert.
»Ich brauche eine Mitfahrgelegenheit«, erkläre ich.
Der Büttel springt heraus und stößt wilde Drohungen aus. Ich versetze ihm einen gezielten Hieb mit der flachen Klinge, und er plumpst wie ein Mehlsack zu Boden.
»Zum Hafen, und zwar dalli!«, befehle ich dem Kutscher.
Ich halte immer noch mein Schwert in der Hand. Der Mann bringt uns zum Hafen, und zwar dalli.
Dandelion erklärt mir, dass sie einmal vom Ende des Piers aus mit den Delfinen geredet hat. Wir fahren dorthin, vorbei an den Drei-Ruderern und den Zwei-Ruderern, die zum Löschen und Aufnehmen ihrer Fracht angelegt haben. Die gewaltigen Schiffe liegen in der Dunkelheit ruhig da, und auf jedem brennt nur eine kleine Hafenlaterne. Nachts patrouillieren normalerweise Sicherheitsleute, die für die Hafenbehörde arbeiten, über die Kais. Aber wir begegnen niemandem, als wir über den Pier laufen. Für gewöhnlich bewege ich mich nicht mehr sonderlich schnell zu Fuß fort, und ich spüre, wie mein Herz vor Anstrengung hämmert. Aber ich ignoriere es. Dandelion stolpert und fällt hin. Ich ziehe sie hastig hoch. Sie hat sich den Fuß an einem scharfen Metallstück aufgeschnitten und hinterlässt einen blutigen Fußabdruck, als wir weiterlaufen. Am äußersten Ende des Hafens befindet sich ein Wellenbrecher, der weit bis aufs Meer hinausführt und den einlaufenden Schiffen Schutz vor dem Wind bietet. Wir bleiben erst stehen, als wir an seinem Ende angelangt sind.
»Also?«
Dandelion blickt auf das dunkle Meer hinaus. Die Sonne ist bereits untergegangen, und ihre letzten Strahlen färben das Wasser rot. Rot wie Wein, sagte einmal ein Elfenpoet. Dandelion neigt den Kopf ein wenig und stößt einige merkwürdige Laute aus, ein hohes Wimmern, gemischt mit Schnalzen und Gurgeln. Nichts passiert. Sie wiederholt die Laute. Ich werfe ihr einen wütenden Blick zu. Wenn das ihre Auffassung von einem kleinen Scherz sein sollte, werfe ich sie ins Meer.
»Wo bleiben die Delfine?« Ich schreie.
Sie stößt ein drittes Mal diese Laute aus. Ich will mich gerade herumdrehen und selbst nach Vexial suchen, als sie einen Schrei ausstößt und die Hand ausstreckt. Direkt unter uns hat ein Delfin seinen schlanken Kopf aus dem Wasser gestreckt und sieht Dandelion erwartungsvoll an.
»Was soll ich ihm sagen?«
»Dass ich hier bin, um ihren Heilstein zu suchen. Und sag ihm auch, dass ich es verdammt eilig habe.«
Sie gurgeln und schnalzen eine Ewigkeit miteinander, aber vermutlich ist das eine recht annehmbare Geschwindigkeit für ein Schwätzchen zwischen einem Delfin und einem Menschen. Schließlich dreht sich Dandelion zu mir herum und sagt, dass der Heilstein der Delfine etwa kreuzförmig sei, aus schwarzem Stein bestehe und etwa die Größe einer Männerhand hat. Das muss reichen.
»Er lag auf dem Altar in ihrem unterseeischen Tempel weit draußen in der Bucht. Ein Taucher hat ihn gestohlen, als sie alle draußen im Meer gespielt haben. Der Tempel ist…«
»Heb dir die Einzelheiten für später auf!«, knurre ich. Ich stürme davon und lasse die barfüßige Dandelion bei ihrem Delfin zurück.
Jetzt weiß ich wenigstens, wonach ich suchen muss. Falls Astral mit dem Gold in der Statue schon Fortschritte gemacht hat. weiß ich sogar, wo ich suchen muss. Der Magier wartet schon in einem Landauer an der Ecke Quintessenzweg und Mond-und-Sterne-Boulevard. Gurdh und seine Axt sind bei ihm.
»Glück gehabt?«
»Ja. Die Aura von Vexial dem Sehenden ist über das ganze Gold verteilt. Ich habe die Stadt durchsucht und ihn in Zwölf Seen gefunden.«
»In Zwölf Seen? Seid Ihr sicher?«
»Allerdings. Er befindet sich in der offiziellen Residenz von Präfekt Tholius.«
Sieh mal einer an. Präfekt Tholius. Vermutlich fügt sich schließlich das eine nahtlos zum anderen, wenn ich erst mal Zeit habe, in Ruhe darüber nachzudenken.
»Was wollt Ihr jetzt tun?«, fragt der Zauberer.
»Ich suche den Heilstein. Und ich werde jeden töten, der sich mir in den Weg stellt.«
»Aufgeht’s!« Gurdh singt die Worte beinah.
Die schwere Axt schwingt an seiner Hüfte. Es ist gut, Gurdh dabeizuhaben, auch wenn es schon lange her ist, dass wir gemeinsam gekämpft haben. Ich erkläre Astral, dass er nicht mitkommen muss. Wenn er in eine Auseinandersetzung mit Präfekt Tholius gerät, könnte
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