Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
hatte einen Arm um ihre bebenden Schultern gelegt und ich hörte, wie sie sagte: »Aber was hättet Ihr tun können, ohne alles nur noch schlimmer zu machen? Er ist der Prinz und kann befehlen, in das Haus eines jeden Edelmannes im Land eingelassen zu werden. Und Ihr sagt, er hatte starke Männer bei sich …«
»Er selbst ist stark genug für zehn und außerdem ist er verrückt.« Meine Mutter weinte. »Er ist besessen … Er hat eine Kopie meines Portraits anfertigen lassen! Wenn er ein Kind zeugt, ist er sicher, dass der König ihn wieder als Erben einsetzen wird. Und wenn er keines zeugt, so behauptet er, werden sie sich gegen ihn verschwören und ihn töten. Er hat wie ein Wahnsinniger geredet, sagt, mein Bild spricht zu ihm, es verspreche ihm, ihn zu einem … normalen Mann zu machen! Und nun glaubt er, dass es wahr ist! Als er … fertig war, legte er mir seinen Dolch an die Kehle und befahl mir, nichts zu sagen, sondern abzuwarten, ob ich ein Kind erwarte! Wenn ich Don Diego warne, wird der Prinz sagen, ich hätte ihn in mein Bett gelockt und mein Mann würde mich verdammen, weil ich die Ehre seines Namens zerstört hätte. Wenn ich ihn nicht warne, fürchte ich um das Leben meines Mannes. Josefa, wir sind verloren! Verloren! Meine armen Kinder!«
Dann bemerkten sie mich und Josefa scheuchte mich hinaus. Später sagte sie mir, dass ich vergessen sollte, was ich gehört hatte, wenn ich meine Mutter liebte. Doch die Angst war in unser Leben getreten.
Nicht lange nach diesem Ereignis erhielt meine Mutter einen Brief von meinem Vater, mit der Unterschrift seines Sekretärs, in dem er befahl, meine Brüder sofort zur Schule der Franziskaner nahe Saragossa zu schicken. Es gefiel meiner Mutter nicht, doch natürlich gehorchte sie. Die Truhen der Jungen waren bald gepackt und ihre Diener bereiteten sich darauf vor, sie zu begleiten. Die Jungen waren gut gelaunt, als sie uns zum Abschied küssten, für sie war es wie ein neues Abenteuer. Consuela und ich standen auf dem Turm und winkten mit unseren Taschentüchern, bis sie nur noch kleine Punkte in der Ebene unterhalb der Burg waren. Die Augen meiner Mutter waren rot und sie sah besorgt aus.
Eine neue Dienerin kam ins Haus. Sie war es, die unsere Kerzen anzündete und die Mahlzeiten in unsere Gemächer brachte. Sie hatte schrägstehende Augen, die in verschiedene Richtungen gleichzeitig blickten. Ich fand, sie hatte etwas Böses in ihrem Gesichtsausdruck.
Als der Winter zu Ende ging und das Frühjahr begann, litten meine Mutter und auch Consuela an einer Krankheit des Magens. Josefa und meine Mutter schienen ein unglückliches Geheimnis zu teilen, das damit zu tun hatte, dass meine Mutter sich morgens ausruhen musste und oft den Wunsch nach Honig verspürte. Consuela wurde jedoch blass und dünn und teilnahmslos und hatte kein Interesse an ihren Schulstunden mehr. Sie wollte auch nicht mehr singen oder Dame spielen. »Fast vierzehn«, murmelte meine Mutter besorgt, »vielleicht beginnen ihre Tage – das macht Mädchen oft müde.«
Doch Consuela war bald so schwach, dass sie nicht mehr aufstehen konnte, und meine Mutter saß den ganzen Tag an ihrer Seite. Wenn sie wach war, überredete sie sie, ein wenig Brühe zu sich zu nehmen, wenn sie schlief, betete sie. Ich blieb ängstlich in der Nähe und wünschte mir, Consuela würde gesund aufwachen und wir könnten wieder zusammen lernen und spielen. Doch Consuelas wunderschönes Haar ging nach und nach aus und ihre Augen fielen ein. Meine Mutter war außer sich vor Sorge.
»Komm«, sagte Josefa eines Tages und zog mich aus dem Krankenzimmer, als meine Mutter und die Dienerin mit den schrägen Augen meine Schwester versorgten. »Du brauchst frische Luft und diesmal kommst du mir nicht drum herum, beim Ausbessern zu helfen!« Ich hasste diese Näharbeiten, doch es war ein schöner Frühlingstag, sehr willkommen nach der Kälte des Winters, und ich war froh, das Krankenzimmer hinter mir zu lassen. Wir nahmen unser Nähzeug – Josefa ihren großen Flickkorb und ich mein hübsches bemaltes Nähkästchen, das mein Vater mir für meine Fingerhüte, Stickseiden und Scheren gegeben hatte – und gingen zum Ostturm, von dem aus die Mauren einst die katholische Armee in der Ebene mit ihren Pfeilen beschossen hatten. Josefa hatte dicke Kissen in die Fensternische gelegt, die wie eine breite Fensterbank war.
Josefa fädelte mir umständlich einen Faden ein, steckte Nadeln in Stofflagen, um sie gleich darauf wieder
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