Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
tretend und hysterisch schreiend in die Kutsche gehoben. Eine Frau sagte scharf: »Es ist kein Mann, sondern eine Nonne. Hinein mit dir! Du bist in Sicherheit, das verspreche ich dir. Eure Erledigungen können warten, Sor Sofía. Kehrt zum Kloster zurück!«
Sor Sofía lässt sich nicht gern etwas sagen. Sie öffnete den Mund, um Fragen zu stellen und Antworten zu fordern, doch bevor sie ein einziges Wort hervorbringen konnte, wurde die Tür der Kutsche zugeschlagen und verriegelt und der Kutscher hatte gewendet und fuhr in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Als P í a feststellte, dass die Kutschentür verschlossen war, fiel sie in Ohnmacht.
KAPITEL 17
Aus der Chronik der Sors Santas de Jes ú s, Kloster Las Golondrinas, Andalusien, Spätsommer 1550
P í a war nicht die Letzte! Eine seltsame Botschaft erreichte die Äbtissin: Um ein »verborgenes Mädchen« rasch ins Kloster zu bringen, sei die Hilfe einer der Nonnen nötig, und es müsse eine starke und energische Nonne sein, da das Mädchen kein Baby sei. Uns blieb nicht viel Zeit, bald würden die Straßen im Winter unpassierbar sein, daher wurde Sor Arsinoe in größter Eile losgeschickt und kehrte mit Marisol zurück, mitten in einem kalten herbstlichen Hagelsturm, der die Bergstraße glatt werden ließ und beide bis auf die Haut durchnässte. Marisol sah wie eine ertrunkene Ratte aus, ihr Gesicht war von tropfnassem Haar eingerahmt und ihre braunen Augen schossen hin und her. Sie ist erst dreizehn Jahre alt, doch auch wenn sie vor Kälte und Angst halb tot war, so strahlt sie dennoch etwas aus, das wir im Kloster nur selten sehen – Trotz. »Meine Mutter mag mich hergeschickt haben, aber Ihr werdet aus mir keine Nonne machen! Ich werde fliehen!«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als sie weggeführt wurde, um eine trockene Novizinnentracht anzuziehen.
Nach Auskünften, die Sor Arsinoe mitbrachte, droht dem Mädchen Gefahr durch die Behörden und auf irgendeine Weise ist der Hofmaler Trist á n Mendoza in die Sache verwickelt. Sor Arsinoe glaubt, dass die Mutter im Kindbett im Sterben lag, als sie das Mädchen vom Hof wegbrachte. Ihr voller Name lautet Mar í a Isabela Vilar de Asunci ó n , doch sie besteht darauf, Marisol genannt zu werden, und wies die Idee, dass Trist á n Mendoza ihr Vater sei, mit Verachtung von sich. Sie behauptet, sie sei die Tochter von Don Diego Vilar de Asunci ó n , dem Kommandeur der Flotten in die Neue Welt. Vernünftig wie immer meinte die Äbtissin, dass wir, wenn dies stimme, ihre Geschichte anhören sollten, um ihrem Vater Gerechtigkeit angedeihen zu lassen. Marisol ist schnell mit Widerspruch bei der Hand, doch den ruhigen Erklärungen der Äbtissin kann sie sich nicht verschließen.
Meine Mutter und mein Vater stammten aus Familien »Alter Christen«. Meine Großmutter starb, als meine Mutter geboren wurde, und Josefa, eine sechzehnjährige mittellose Cousine und zudem eine Waise, die sich keine Mitgift leisten konnte, kümmerte sich um meine Mutter und begleitete sie später zur Klosterschule. Als mein Großvater starb, erbte sein einziges lebendes Kind – meine Mutter – sein gesamtes Vermögen. Da sie keine Verwandten hatte, die man zum Vormund hätte berufen können, wurde sie als königliches Mündel am Hof aufgenommen. Zusammen mit Josefa lebte sie in Gemächern in der Nähe der Königin.
Don Diego Vilar de Asunci ó n war dreißig Jahre älter als meine Mutter, als er ihr kurz nach ihrer Ankunft bei Hof zum ersten Mal begegnete. Sie war schön und reich und stammte aus guter Familie, und er suchte beim König um Erlaubnis nach, sie heiraten zu dürfen. Der König stimmte zu – Don Diego hatte viele Male die Flotten in die Neue Welt befehligt und war mit Reichtümern zurückgekehrt. Doch an Land war er ein Connaisseur von Gemälden und schönen Frauen, und er wies Trist á n Mendoza an, das Verlobungsbild meiner Mutter zu malen.
Josefa war empört. Den Portraits von Trist á n Mendoza sagte man nach, dass sie eine magische Macht auf Männer ausübten, die ihre Fantasie anregte, sodass sie ihren Blick nicht mehr davon wenden konnten. Josefa erzählte mir, Don Diego habe ihre Einwände lachend hinweggefegt und gesagt, sie, Josefa, müsse meine Mutter bewachen und vor allem Ungehörigen bewahren.
Josefa berichtete mir stolz, dass Trist á n Mendoza ärgerlich gewesen sei, weil sie meiner Mutter nicht von der Seite wich und auch das Geld nicht annahm, mit dem er sie
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