Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
und alle seine Konkubinen seien bei dem Erdbeben ums Leben gekommen! Wir waren entsetzt und sprachen ihm unser Beileid aus, ihr Tod erfüllte uns mit Trauer, vor allem um seine elegante und gütige Frau.
Dann sagte er etwas, das mir das Blut zu Kopf schießen und mein Herz wie wild schlagen ließ. Da unsere Götter uns verschont hätten, während so viele andere umgekommen seien, sei er gekommen, um sich aus unserer Mitte eine Konkubine auszusuchen, wie es das Vorrecht eines Prinzen aus königlicher Familie sei. Dabei sah er mich direkt an und sein dunkler Blick bohrte sich wie ein Speer in mein Herz. Eine Konkubine? Aber seine Frau war tot – und ich hatte eine Idee.
Die Oberin antwortete ihm so taktvoll wie möglich, jedoch mit unnachgiebiger Bestimmtheit, dass seine königlichen Vorrechte sich nicht auf unsere Gemeinschaft ausdehnten. » Unsere Jungfrauen …«, setzte sie an – und ich wusste, was sie als Nächstes sagen würde: »… müssten eher den Tod wählen.« Bevor sie also fortfahren konnte, sprang ich an ihre Seite und flüsterte ihr hastig ins Ohr, dass ich mein Gelübde noch nicht abgelegt habe und das Noviziat abbrechen könnte, wenn die Wahl des Anführers auf mich fallen sollte.
»Ganz sicher nicht, Salomé! Hat die Lust Euch den Verstand geraubt?«, zischte sie.
»Nein, Mutter Oberin, wartet«, bat ich sie. »Vielleicht hat Gott uns diese Möglichkeit geschickt, das zu erwirken, was wir nicht anders erreichen können. Ich glaube, der Anführer handelt – eine von uns für seine Töchter. Ihr, die mamakuna , müsst ebenfalls handeln, um den Wert dessen herauszustellen, was er haben will.« Die Oberin starrte mich derart entgeistert an, dass ich rasch fortfuhr: »Erst könntet Ihr sagen, dass christliche Jungfrauen niemals Konkubinen werden. Ihr Gott erlaubt ihnen den Status als Ehefrau, vorausgesetzt, sie werden einem Mann nach unseren Gesetzen und Ritualen übergeben – und nur, wenn es keine weitere Ehefrau oder Konkubinen gibt. Und ein Mann, der eine unserer Jungfrauen haben will, muss sich an unseren Brauch halten, ihr einen Wunsch zu erfüllen, sonst … ähm, sonst trifft ihn der Zorn unseres mächtigen Gottes.«
Die Oberin fuhr mich an: »Salomé, Ihr redet Unfug!«
»Nein, Mutter Oberin. Wenn der Anführer zustimmt, dass seine Töchter bei uns bleiben dürfen, folgen die Priester möglicherweise seinem Beispiel und schicken Mädchen künftig zu uns, um hier als Fürsprecher vor Gott zu wirken, statt sie zu opfern. Und einer guten christlichen Ehefrau gelingt es vielleicht, ihren Mann zu überzeugen, dass weitere Ehefrauen und Konkubinen … unnötig sind.« Ich errötete, als ich das sagte.
Die Oberin sah mich an, als sei ich des Teufels, dann seufzte sie und wandte sich wieder dem Anführer zu, um ihre Bedingungen zu erläutern. Er nickte und tat nun nicht mehr so, als wüsste er nicht, welche von uns er haben wollte. Er zeigte auf mich und fragte mich nach meinem Wunsch. Seine Ehre geböte, dass er ihn erfülle. Als die Oberin ihm sagte, er solle die Opferkinder uns überlassen, sah er uns schockiert an, so als sei er in eine Falle gelockt und betrogen worden. Ich hielt den Atem an. Die Macht seiner Religion und seine Pflichten als königlicher Prinz lagen in heftigem Widerstreit mit seinen Neigungen und noch mehr mit seinem Ehrgefühl, das ihm nicht erlauben würde, sein Wort zurückzunehmen. Doch nur einen Augenblick lang. Dann nickte er und streckte mir seine Hand entgegen. Ich trat vor und ergriff sie.
An diesem Tag setzte heftiger Regen ein, als habe der Himmel seine Zustimmung zu unserem Bund gegeben, obwohl es Monate dauern würde, bis die hastig ausgebrachte Saat Früchte trug. Die Hungersnot war noch nicht vorüber. Würde es weitere Menschenopfer geben? Die Antwort kam einige Wochen später, als drei wunderschöne Mädchen, alle unterschiedlich alt, ins Haus gebracht wurden, nachdem die einheimischen Priester sie mit undurchdringlicher Miene bei uns abgeliefert hatten.
Der Anführer und ich wurden einen Monat nach dem Erdbeben getraut, natürlich von der Oberin – schließlich gab es sonst niemanden, der eine christliche Trauung hätte vornehmen können. Ein großer Teil der Zeremonie bestand aus langen Gebeten, in denen sie den Segen des Himmels für unsere Ehe beschwor. Sonst gab es nichts zu tun. Ich hatte ein einfaches Leinenkleid an, das die Schwestern schnell zusammengenäht hatten, und darüber trug ich, wie es bei einheimischen Hochzeiten üblich war, ein
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