Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
zu können. Angespannt saß sie auf der Bettkante und horchte auf Gewehrschüsse, doch bis auf die Schwalben war alles still. Sie putzte sich die Zähne und machte sich dann auf den Weg, um Sor Teresa daran zu hindern, das Tor zur Kapelle aufzuschließen. Sie erwischte sie, als sie gerade den Gang hinuntereilte. Wie zu erwarten war, war Sor Teresa empört und überschüttete Menina mit einem spanischen Wortschwall. Ob sie denn nicht wisse, dass heute Karfreitag sei?
»Es ist ja nicht meine Idee«, versuchte Menina immer wieder, sie zu unterbrechen. »Alejandro sagt, dass es sein muss. Wir müssen ihm vertrauen … Da ist eine Polizeiaktion im Gange, sie ist sehr gefährlich. Gefährlich für ihn und für viele Leute, wenn wir nicht tun, was er sagt. Es geht um ganz üble Männer. Bitte.«
Schließlich beruhigte sich Sor Teresa so weit, dass sie aufnahm, was Menina sagte. »Gefährlich für Alejandro?«
»Ja, und auch für viele andere Leute. Es sind Verbrecher, wahrscheinlich mit Pistolen. Alejandro hat auch eine und dann werden da noch andere Polizisten mit Pistolen sein …«
Verzweifelt rief Sor Teresa: »Nein! Pistolen sind böse! Leute hatten Pistolen im Bürgerkrieg, sehr, sehr schlimm!«
»Alejandro braucht Ihre Hilfe. Sie müssen ihm dadurch helfen, dass Sie das Tor nicht öffnen, auf gar keinen Fall. Er will, dass das Tor zum Kloster geschlossen und verriegelt bleibt.« Menina versuchte es mit einer anderen Masche. »Wenn das Tor zugesperrt ist und er sich keine Sorgen um Sie und die anderen Nonnen machen muss, dann ist die Gefahr für ihn nicht so groß. Sie wollen doch nicht, dass er erschossen wird, während er sich um die Nonnen sorgt und sich nicht auf seine Arbeit konzentriert, oder?«
»Ist für die Polizei, was er da macht? Nicht aus einem anderen Grund, nicht weil die Verbrecher ihm Geld bezahlen?«
Aha! Sor Teresa hatte sich also tatsächlich Sorgen gemacht, dass er die Hand aufhielt!
»Nein, das ist es nicht, überhaupt nicht. Er wird Ihnen das alles erzählen. Es ist eine lange Geschichte und Alejandro ist sehr mutig. Aber erst muss er die Verbrecher fangen.«
»Wann können wir das Tor wieder öffnen?«
»Er wird es uns sagen, wenn es sicher ist.«
»Alejandro ist ein guter Mann. Er kümmert sich um Leute, er hilft uns hier im Kloster, er hilft Ihnen, darum will ich nicht an ihn und an sein vieles Geld denken, an seine Prostituierten. Oder dass er stirbt, wegen der Männer mit den Pistolen.«
Menina seufzte. »Ich hätte nie gedacht, dass ich Ihnen in diesem Punkt beipflichte, aber ich möchte es auch nicht.«
»Alejandro mag Sie.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher, aber das macht keinen Unter−«
»Doch, ich sage Ihnen ja, dass ich mit den Ohren sehe, höre was Leute denken, wenn sie reden. Ich höre Alejandro, wenn er sagt, er will mit Ihnen sprechen. Er ist nervös, wie ein Junge. Ich glaube, er kämmt sich und richtet seine Uniform.«
»Ich glaube nicht, dass er …«
»Er ist einsam. So viele Freundinnen, aber ist einsam. Er war verliebt in amerikanisches Mädchen. In Kalifornien. Sie war novia . Aber sie kam nicht hierher. Also heiratet er nicht und er verschwendet sein Leben an schlechte Mädchen.«
Menina konnte Sor Teresa nicht darüber aufklären, was es mit den Freundinnen tatsächlich auf sich hatte. »Das geht mich alles wirklich nichts an.«
»Er sollte heiraten. Gesetzter werden. Kinder haben.«
»Und wahrscheinlich haben Sie ihm das schon oft gesagt. Ich bin sicher, dass er heiraten und Kinder haben wird, wenn er die richtige Frau trifft, aber wie gesagt: Das geht mich alles nichts an.«
»Sie sind nicht verheiratet!«
»Nein …«
»Warum nicht?«
»Sor Teresa, das ist …«
»Etwas Schlimmes macht Sie unglücklich. Vor zwei Tagen haben Sie geweint.«
»Ich bin nicht unglücklich!« Menina war selbst entsetzt über ihren barschen Ton. Nun schnauzte sie schon eine Nonne an! Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, bevor sie Sor Teresa zurechtwies, dass sie das alles nichts angehe.
Sor Teresa zuckte mit den Schultern und wechselte das Thema. »Also gut, ich öffne das Tor heute nicht. Ich sage den anderen. Sor Clara ist krank und hat ein bisschen Fieber. Ist windig in der sala grande , hat sie sich erkältet.« Menina überkam ein schrecklich schlechtes Gewissen, nachdem Sor Teresa diesen letzten Schuss abgefeuert hatte. Wenn Sor Clara erkältet war, dann war das Meninas Schuld. Und wenn sich daraus eine Lungenentzündung entwickelte? Sie brauchte
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