Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Gefühl hatte, die Glocke befinde sich genau zwischen ihren Ohren. Verärgert musste sie einsehen, dass sie sie nur zum Schweigen bringen konnte, wenn sie nachsah, wer da läutete. Die Nonnen machten offenbar keinerlei Anstalten, sich darum zu kümmern.
Sie quälte sich aus dem Bett und schleppte sich zum Tor. Sie schob den Riegel hoch und war fest entschlossen, dem Störenfried ordentlich die Meinung zu sagen. Es war Hauptmann Fernández Galán, grau vor Erschöpfung. So müde sie war, so war sie doch erleichtert, dass er unverletzt war. »Haben Sie alle erwischt?«
»Ja. Ich wollte Sie wissen lassen, dass wir sie alle lebendig geschnappt haben – bis auf einen Idioten, der meinte, er müsste sich den Weg freischießen. Er ist tot. Es gibt keine Worte, die schlimm genug sind für diese Leute. Tut mir nicht leid. Die anderen, sie versuchen, mit uns zu handeln, uns Namen zu geben. Aber Sie? Ist alles in Ordnung?«
»Ich bin nur müde. Aber Sie müssen noch viel müder sein.«
»Das macht nichts. Was ich jetzt sagen wollte, ist, wenn ich meinen Bericht geschrieben und alles erledigt habe, kommen Sie dann mit mir ins Dorf? Immer in diesem Dorf ist Ostern ein Fest, in der Bar machen sie Fiesta, Lammbraten … Das ganze Dorf ist da, ist sehr schön. Um danke zu sagen, bevor Sie abreisen?«
»Oh! Sehr gerne, wenn Sor Teresa mich gehen lässt. Ich verhungere bald! Und ich hatte beinahe vergessen, dass ich morgen abreise. Der Bus kommt doch ganz bestimmt, oder?«
»Ja, ja, er wird da sein.« Er seufzte. »Überlassen Sie Sor Teresa mir; der Besitzer der Bar schickt immer Essen von Fiesta an das Kloster.«
»Und ich muss Ihnen erzählen, was ich gefunden habe.«
»Dann sehen wir uns in zwei Stunden.« Er wandte sich zum Gehen und sie sah ihm nach, als er durch die Terrassenfelder hinabstieg, durch die sie ihm vor weniger als einer Woche voller Misstrauen gefolgt war. Es war keine Verabredung, er war einfach nur höflich. Und sie musste ihm tatsächlich erzählen, was es mit den Gemälden auf sich hatte. Nein, eine Verabredung war es nicht.
Trotzdem sollte sie sich besser ein wenig frisch machen.
KAPITEL 35
Kloster Las Golondrinas, Spanien, April 2000
Menina benutzte den letzten Rest an Seife und Shampoo, um sich im eisigen Wasser aus der Pumpe abzuschrubben. Zum Schluss konnte sie ihre Hände und Füße vor Kälte kaum noch spüren, doch wenigstens war sie einigermaßen sauber. Sie bürstete den Staub aus ihren Kleidern, wischte ihre Schuhe blank und versuchte, ihr zerknittertes Sweartshirt glattzustreichen. Ohne Spiegel konnte sie nicht beurteilen, ob sie nun tatsächlich besser aussah. Wahrscheinlich nicht. Auf jeden Fall roch sie besser.
Sie traf sich mit Alejandro am Tor. Dort hatten er und ein anderer Mann einen riesigen Korb mit Speisen für Sor Teresa abgeliefert, die das Café im Dorf den Nonnen für die Osterfeierlichkeiten schickte. Menina trug himmlisch duftende, mit Folie abgedeckte Schüsseln und Platten in die Klosterküche. Sor Teresa rieb sich zufrieden die Hände. Schließlich machten sich Menina und Alejandro auf den Weg hinunter ins Dorf. Noch bevor sie die Plaza erreicht hatten, stieg ihnen der betörende Duft von Kräutern und Lammfleisch in die Nase, das über einem Kohlenfeuer röstete. Auf dem Platz drängten sich die Leute. Zu Ostern waren die Familien zusammengekommen, sie saßen an alten Holztischen und redeten alle gleichzeitig. Kinder liefen umher und von Zeit zu Zeit unterbrach eine der alten schwarzgekleideten Frauen, die plaudernd am Brunnen saßen, ihren Schwatz, um ein Kind mit schriller Stimme zu ermahnen.
Immer wieder erhoben sich Männer und schlugen Alejandro auf die Schulter und schüttelten ihm die Hand. »Sie sind ein Held«, meinte Menina, als er sich wieder einmal von einer Schar Gratulanten löste.
»Nein, nur ein Polizist, der seine Arbeit tut.«
»Für diese Mädchen sind Sie ein Held«, beharrte Menina. »Sie haben sie und wer weiß wie viele andere vor der Hölle auf Erden bewahrt.«
»Und Sie haben dabei geholfen. Almira sagte, Sie seien so mutig gewesen. Sie wird Sie nie vergessen.« Alejandro rückte einen Stuhl für sie zurecht.
»Almira ist diejenige, die Mut gezeigt hat«, sagte Menina bewegt. Die Leute an den Nachbartischen sprachen Alejandro an, viele betrachteten seine Begleiterin mit unverhohlener Neugier, doch alles, was Menina im Augenblick interessierte, war das Essen. Bald stand ein Teller mit etwas Frittiertem auf ihrem Tisch, dann folgten
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