Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Gitarre zu spielen. Alejandro schob Meninas Stuhl so, dass sie den Gitarristen sehen konnte. »Ich glaube, nun ist besser, Nachtisch langsam zu essen«, meinte er lachend.
»Ja, ich weiß, das war zu viel. Aber es hat alles so gut geschmeckt!«, antwortete Menina. Ihr Hosenbund kniff ein wenig. Eine magere Katze wand sich um ihre Knöchel und sie gab ihr einen Bissen Lammfleisch. Alejandros Stuhl stand plötzlich neben ihrem, sodass sie nebeneinander saßen, den Musikern und den Leuten zusahen, die temperamentvolle Lieder sangen. Menina konnte nicht alles verstehen, doch die Lieder waren offenbar sehr lustig. Zwischendurch sprangen hier ein alter Mann oder dort eine Großmutter von ihrem Stuhl auf und tanzten ein paar Schritte Flamenco, begleitet vom Applaus der Zuschauer.
Die Dunkelheit brach herein. In den Orangenbäumen erstrahlten kleine Lichter. Kaffee wurde serviert und wieder abgeräumt, zusammen mit kleinen Gläsern mit einem feurigen, Brandy-ähnlichen Schnaps, der Menina beim bloßen Schnuppern den Atem raubte. Noch mehr Teller mit kleinen süßen Happen. Noch mehr Kaffee. Alejandros Arm lag beiläufig auf ihrer Stuhllehne, ohne ihre Schultern wirklich zu berühren. Menina dachte, dass sie gerne bis in alle Ewigkeit so dasitzen wollte. Es fühlte sich friedlich und sicher an. Sie fühlte sich gut.
Irgendjemand zündete ein Feuer an. »Ich denke gerade etwas und ich sage jetzt einfach, was ich denke«, meinte Alejandro und sah Menina dabei nicht an. »Ich bin froh, dass Sie den Bus verpasst haben. Fahren Sie morgen noch nicht ab. Bleiben Sie noch eine Weile. Bis zu Ihrem Rückflug haben Sie noch zwei Wochen Zeit. Ich weiß, Sie werden bald nach Amerika zurückkehren wollen, aber vielleicht können Sie noch bleiben.« Menina rückte ein wenig ab. Was genau meinte er? Wo sollte sie bleiben – bei ihm?
Alejandro sah Überraschung und Unruhe in ihren Augen und fügte rasch hinzu: »Sor Teresa sagt, es ist gut, einen jungen Menschen im Kloster zu haben. Vor allem eine gut erzogene junge Frau, die respektvoll ist. Dort haben Sie jede Menge Anstandsdamen und hier«, er wies einer ausholenden Handbewegung auf die Menge der feiernden Dofbewohner, »sind noch viel mehr. Das Dorf ist sehr altmodisch. Alle diese Leute werden jede Ihrer Bewegungen beobachten, genauso, wie sie mich beobachten, und es wird das wichtigste Gesprächsthema sein, bis Sie abreisen. Hier sind Sie also sicher.« Er lächelte.
»Das kann ich mir gut vorstellen! Aber …« Noch vor ein paar Tagen wollte sie nichts lieber als auf der Stelle von hier verschwinden. Doch nun hatte sie die Gemälde gefunden und was sie in der Chronik gelesen hatte, machte sie neugierig, und nun wollte sie auch den Rest lesen, um zu sehen, ob alles tatsächlich so zusammengehörte, wie sie vermutete. Außerdem wollte sie gerne hier sei, wenn Professor Lennox kam. Aber – und das war nicht zu übersehen – Alejandro klang so, als gebe es für ihn auch noch einen anderen Grund. Er drängte nicht, er fragte nur. Lotete aus, wie die Dinge standen. Sie hatte gedacht, dass sie nie wieder etwas mit einem Mann zu tun haben wollte. Und sie war sich nicht sicher, ob sich daran jemals etwas ändern würde. Noch nicht. Aber … wollte sie wirklich durchs Leben gehen und sich fragen, ob sie wegen einer schlechten Erfahrung so feige gewesen war, dass sie die Chance auf eine gute Erfahrung verpasst hatte?
Die Entscheidung lag bei ihr. Menina beschloss, sich vorsichtig vorzuwagen. »Vielleicht sollte ich noch ein bisschen bleiben, wenn Sie wirklich meinen, dass Sor Teresa nichts dagegen hat?«
Er schüttelte den Kopf. »Glauben Sie mir, sie hat bestimmt nichts dagegen.«
Menina fügte hastig hinzu: »Ich meine, ich habe Ihnen schließlich noch gar nichts über die Gemälde erzählt, die ich gefunden habe. Oder was in der Chronik steht. Sie erwähnten etwas von den ›alten Geschichten über das Kloster‹ und ich frage mich, ob sie vielleicht tatsächlich in der Chronik stehen, möglicherweise ist das der Grund, warum die Nonnen sie mir zusammen mit der Medaille gegeben haben … Oh, das ist eine lange Geschichte, das erkläre ich Ihnen ein andermal. Ich bin zu müde und zu satt, um noch etwas Vernünftiges zustandezubringen, und Sie sind wahrscheinlich zu müde, um zuzuhören. Außerdem haben Sie mir noch nichts über diese Leute von der cofradia erzählt oder wie immer Sie sie genannt haben, die nach mir gesucht haben … Also, wenn ich einen klareren Kopf habe, müssen wir
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