Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
noch ein paar Dinge besprechen, bevor ich wieder abreise. Es gibt noch mehr Busse.«
»Ja, wir haben noch nicht alles besprochen«, sagte er.
»Aber wenn ich bleibe, muss ich meine Eltern anrufen. Gleich morgen, okay?«
»Natürlich, jetzt ist das kein Problem mehr. Um ein Telefon mit einer guten Verbindung zu finden, müssen wir hinunter ins Tal fahren. Das machen wir gleich morgen früh. Und dann können wir dort zu Mittag essen. Doch nun bringe ich Sie ins Kloster zurück, Sie haben Recht, ich bin wirklich müde.« Alejandro nahm ihre Hand und zog sie von ihrem Stuhl hoch und sie erklommen die Terrassen, immer noch Hand in Hand. Menina merkte es erst, als er ihre Hand losließ. Das Klostertor stand einen Spalt offen. Sie gähnten beide, als sie einander eine gute Nacht wünschten und ihrer Wege gingen.
Am nächsten Morgen fuhren sie – sehr schnell – die lange, gewundene Bergstraße hinunter, bis sie zu einem Café am Straßenrand kamen, das ein zuverlässiges Telefon hatte, wie Alejandro sagte. Er sprach mit der Telefonvermittlung und als die Walkers schließlich am Apparat waren, wandte er sich ab und wollte davongehen. Menina hielt ihn zurück: »Es könnte sein, dass ich Ihre Hilfe brauche.«
Später saßen sie bei einer Tasse Kaffee zusammen. Nach dem ergreifenden Gespräch mit ihren Eltern waren Meninas Augen immer noch rot gerändert. Virgil und Sarah-Lynn waren außer sich gewesen vor Sorge. Sie berichteten, die spanische Polizei habe ihnen nicht viel sagen können, und man habe sie angewiesen, sich zur Verfügung zu halten, falls Menina sich bei ihnen melden würde. Nun würden sie den nächsten Flug nach Spanien nehmen. Menina versicherte ihnen immer wieder, dass mit ihr alles in Ordnung sei, doch das, sagten ihre Eltern, würden sie erst glauben, wenn sie sie mit eigenen Augen sähen.
Und gerade, als sie auflegen wollte, meinte Sarah-Lynn noch, sie würden Theo Bescheid sagen, wo sie sei. Er habe sich mehr Sorgen gemacht als alle anderen – die Zeitungen hatten Wind davon bekommen, dass seine Verlobte verschwunden war, und die Bonners wurden von Reportern belagert, die wissen wollten, ob sie entführt worden sei und ob die Kidnapper ein hohes Lösegeld forderten.
Oh nein!, dachte Menina. Mit fester Stimme sagte sie ihren Eltern, dass sie nicht mit Reportern reden und Theo nicht wissen lassen sollten, wo sie war. Sie wolle ihn nie wiedersehen. Von nun an ginge ihn nichts von dem an, was sie tat. Als Sarah-Lynn sie tränenreich drängte, sich genau zu überlegen, was sie wegwerfen würde, entgegnete Menina: »Mama, ich denke an das, was ich bekomme, wenn ich zu meinem eigenen Leben zurückkehre. Es ist etwas wirklich Interessantes passiert – ich habe ein paar alte Gemälde gefunden, das ist sehr aufregend, eine große Sache. Ich muss herausfinden, wie es weitergeht. Wenn ich Theo heiraten würde, könnte ich das nicht tun. Ich würde sein Leben leben, nicht meins. Und außerdem liebe ich ihn nicht. Und ich glaube auch nicht, dass er mich liebt, überhaupt nicht. Wirklich, Mama, es ist mir inzwischen egal, was die Leute sagen! Sollen sie doch das sagen, was sie sagen wollen, und dann vergessen wir die ganze Sache. Es tut mir leid, wenn dich das alles unglücklich macht, aber ich habe meine Entscheidung getroffen.« Menina zitterte. Ihre Mutter war überzeugt, dass sie Theo heiraten sollte, und es war das erste Mal, dass sie sich für das einsetzte, was sie wollte. So entschieden war sie ihrer Mutter noch nie entgegengetreten. »Ich sage es noch einmal, Mama: Ich will keine letzte Chance, es mir anders zu überlegen.«
Da hatte Alejandro die Hand nach dem Hörer ausgestreckt und sich als der örtliche Polizeihauptmann vorgestellt. Er versicherte ihnen, dass es Menina gutgehe und dass er sich freue, sie und ihren Mann in ein paar Tagen am Flughafen abzuholen. Sie sollten nur Bescheid sagen, wann sie ankommen würden. Und er wünsche ihnen einen angenehmen Flug. Dann legte er auf. Menina stiegen die Tränen in die Augen und plötzlich fühlte sie sich gar nicht mehr so entschlossen wie im Gespräch mit ihrer Mutter. Sie ging zur Damentoilette und badete ihre Augen in kaltem Wasser. Als sie an den Tisch zurückkehrte, sagte sie: »Wenn ich mit meinen Eltern rede, habe ich wieder das Gefühl, zwölf Jahre alt zu sein und irgendeinen Unfug anzurichten.«
»Aber Sie sind keine Zwölfjährige – Sie sind eine erwachsene Frau. Ihnen ist etwas Schreckliches passiert, aber Sie hatten trotzdem die
Weitere Kostenlose Bücher