Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Fäusten die Augen. Sie hustete wieder, um noch mehr Schlamm aus ihrer Kehle herauszubekommen.
»Sieh mal.« Jesus nahm etwas nassen Lehm vom Ufer und formte ihn mit den Händen. »Schau, eine Schwalbe!«, meinte er. Salomé sah ihn zweifelnd an. Es sah wie eine Lehmkugel aus.
Jesus setzte die Kugel auf den Boden. »Komm, wir machen noch mehr.«
Er setzte einen Kreis aus Lehmkugeln um Salomé herum und gab ihr eine Kugel in die Hand.
»Und sieh mal, was jetzt geschieht!« Jesus klatschte in die Hände und Salomé spürte, wie der kühle Lehm in ihrer Hand warm und weich und federleicht wurde und dann zu tschilpen und mit den Flügeln zu flattern begann. Sie kreischte vor Vergnügen und staunte: »Du hast einen Vogel gemacht!«
»Nein, ich habe nur den Lehm geformt, ein Vogel ist es durch Jehovas Willen«, sagte Jesus und die Schwalbe flog von Salomés Hand und erhob sich in die Luft. Wieder klatschte Jesus in die Hände und auch die restlichen Lehmklumpen begannen, mit den Flügeln zu schlagen und zu tschilpen. Sie hüpften auf dem Ufer um Salomé herum, bevor auch sie sich in die Luft erhoben. »Alles, was geschieht, geschieht, weil Jehova es so will, Salomé.«
Die Jungen sahen ihnen zu, wie festgewachsen standen sie da. Zuerst waren sie sehr erschrocken über das, was sie getan hatten. Salomé hatte mit offenem Mund und geöffneten Augen im Wasser gelegen, als sie sie schließlich unter ihren Füßen entdeckten. Sie zogen ihren Körper ans Ufer und wussten, dass sie tot war. Jesus wandte sich von den Elritzen ab und kam mit lautem Platschen zu ihnen gelaufen. Als er die Jungen beiseite schob, reichte ein einziger Blick in sein Gesicht und sie wussten, dass ihnen schreckliche Rache drohte. Nun war das ertrunkene Mädchen lebendig und lachte und Schwalben aus Lehm flogen um sie herum. Plötzlich stieben die Jungen auseinander. Sie rannten davon, nach Hause. Der Junge Jesus, so hörte man sie erschreckt rufen, habe eine Schwester, die ebenfalls der Hexerei verfallen sei.
Menina las Alejandro und Ernesto die Geschichte vor, während sie im Café auf ihr Abendessen warteten. »Dazu gibt es auch ein Gemälde, in der sala de las ni ñ as «, sagte Menina.
»Serafina Lennox wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen«, brummte Ernesto, als ihr Essen kam.
»Und es geht noch weiter«, sagte Menina.
»Nun spann uns nicht auf die Folter!«, rief Ernesto.
»Wartet, bis ich gegessen habe!«, lachte Menina.
Die zweite Geschichte des Evangeliums unserer Gründerin Salomé, von unserer ersten Äbtissin, die von gesegnetem Gedächtnis war und die diese Dinge erlebte und sie später unserer ersten Schreiberin diktierte
An der Küste Hispaniens, im Jahre des Herrn 37
Zwei römische Zenturios standen in einer Taverne und sahen zu, wie das Kaufmannsschiff sich zwischen die Fischerboote im Hafen schob und den Anker auswarf. Es gehörte einem Kaufmann aus Palästina, Joseph mit Namen, aus Arimathäa, der mehrere Male im Jahr hierher kam und Vorräte aufnahm, bevor er nach Britannien segelte, wo er Gewürze und Wein gegen Zinn und Blei aus den britannischen Minen tauschte.
Bisweilen erstanden die Zenturios ein hübsches Band oder ein paar billige silberne Armreifen von ihm, um sie Flavia zum Geschenk zu machen, der jüngsten der Huren im Hafen. Sie liebte solches Flitterzeug. Mit ihren vierzehn Jahren bevorzugte Flavia die jüngeren Soldaten, die um ihre Gunst wetteiferten, doch wenn ältere Männer ihr Geschenke machten, bevorzugte sie sie.
Josephs Schiff machte in Ufernähe fest. Eine Gruppe von Frauen und ihre Habseligkeiten wurden grob vom Schiff gestoßen und von Matrosen durch das flache Wasser an Land gezerrt. Ihre Röcke und Umhänge waren nass und schwer, sodass sie nur mühsam vorankamen. »Neue Huren.« Die Zenturios blickten sich an und lächelten. »Wenn eine darunter ist, die schöner ist als sie selbst, kratzt Flavia ihr die Augen aus.«
Die jüngeren unter den Frauen kreischten und stolperten, die älteren flehten. Auf dem Schiff standen bärtige Männer mit verschränkten Armen und geschürzten Lippen und sahen zu. Nur die letzte Frau, die von zwei Matrosen grob gepackt und an Land getragen wurde, bettelte nicht, noch protestierte oder weinte sie. Sie spuckte um sich und wehrte sich.
Sie trat die Matrosen, die sie hart auf dem Boden absetzten. Sie hatte ein hübsches Gesicht, von der levantinischen Sonne gebräunt, mit dunklen Augen und dichten Brauen, die über der Wurzel ihrer langen
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