Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
war es möglich, nach Portugal zu fliehen … Das Baby strampelte in ihrem Bauch, wie um sie zu ermutigen. Würde sich die gierige Zofe bestechen lassen, ihnen bei ihrer Flucht zu helfen? Isabela versuchte es ihrerseits mit Durchtriebenheit. Sie erinnerte die Zofe daran, dass die Inquisition ihr keine Belohnung bezahlt hatte, als sie die Köchin verriet. Dagegen würde sie reichlich entlohnt werden, wenn sie ihr und Alejandro zur Flucht verhalf. Die Zofe sah ein, dass Isabela recht hatte, und erklärte sich bereit, Briefe zwischen den Liebenden hin- und herzutragen. Schließlich mussten sie überlegen, was sie alles brauchen würden – Maultiere, Lebensmittel und Bestechungsgelder für diejenigen, die Alejandro bewachten.
Dann kehrte die Zofe mit der Nachricht zurück, dass Alejandro tot war. Er war der Pest erlegen, man hatte seinen Körper in ein Massengrab in einer Kalkgrube hinter dem Armenhospital geworfen, zusammen mit den Leichen der Armen. Isabela zeigte keine Gefühlsregung, war zu leer zum Weinen. War er mit ihrem Namen auf den Lippen gestorben? Auch sie sehnte sich nach dem Tod, doch sie musste weiterleben, zumindest bis das Baby auf der Welt war. Ihr war klar, dass sie eine Möglichkeit finden musste, vor der Geburt des Kindes aus dem Palast zu fliehen und sich zu den Abenzucars durchzuschlagen. Die gerissene und unehrliche Zofe war ihre einzige Hoffnung, doch dann wurde selbst diese schwache Verbindung gekappt. Ein neues Dienstmädchen, eine Taubstumme, brachte Isabela ihr Essen und Isabela sah ihre frühere Zofe nie wieder.
In der Hoffnung auf eine Belohnung hatte die Zofe dem Grafen verraten, dass Isabela und der morisco sich immer noch Briefe schrieben und die gemeinsame Flucht planten. Der Graf glaubte ihr nicht und ließ sie ohne Essen und Trinken im Keller einsperren, um zu verhindern, dass ein so skandalöses Gerücht die Runde machte. Dort saß sie umgeben von Ratten in der Dunkelheit, versuchte, Feuchtigkeit aus den Wänden zu saugen und wusste: Nun bestand ihre einzige Rache darin, dass der edle Stammbaum des Grafen durch das Blut von Ketzern verschmutzt werden würde! Sie starb eines elenden Todes.
Auch Isabela war eine Gefangene. Ihr war nur allzu klar, dass ihre Situation mit jedem Tag gefährlicher wurde. Und dann war es ausgerechnet der Priester, der ihr eine Möglichkeit zur Flucht verschaffte. In den Familien der Alten Christen hatte sich die versuchte Verführung Isabelas durch einen Ungläubigen herumgesprochen, auch wenn sich der Graf alle Mühe gab, solche Berichte zu unterdrücken. Der Priester riet dem Grafen, Isabela in einem Kloster weit weg von Madrid unterzubringen, vorzugsweise in irgendeinem unbedeutenden Nonnenorden. Das sei unter den gegebenen Umständen das Beste, sollten doch das Mädchen und der Skandal, den sie verursacht hatte, in Vergessenheit geraten und schließlich sterben.
Als der Graf seiner entehrten Tochter mitteilte, welches Schicksal ihr bevorstand, hörte Isabela ihm mit gesenktem Kopf und unterwürfiger Miene zu, um den Hoffnungsschimmer zu verbergen, die seine Worte in ihrem Herzen aufleuchten ließen. Sie sank in die Knie und bat ihren Vater, ihr in seiner Bibliothek drei Tage Zeit zu gewähren, um ein Kloster zu finden, wie es ihm vorschwebte. Da ihr Vater keine bessere Idee hatte, gab er seine Erlaubnis und entließ sie dann mit unfreundlichem Nicken. Dass ihr Reifrock höher saß als sonst, fiel ihm nicht auf. Isabelas verkrüppeltes Bein hatte ihr immer schon ein etwas unförmiges Aussehen verliehen.
In der Bibliothek des Grafen suchte Isabela verzweifelt nach dem Buch, in dem das Kloster der Schwalben oberhalb des Tals erwähnt wurde, in dem die Abenzucars lebten. Schließlich fand sie es, einen zerfledderten Band mit verschimmelten Seiten. Sie musste niesen, als sie es aufschlug. Der Gefolgsmann eines christlichen Einsiedlers hatte es zur Zeit der Mauren geschrieben. Der junge Mann hatte sich dem Einsiedler in seiner Höhle in den andalusischen Bergen angeschlossen und wollte eigentlich die Entbehrungen seines Herrn teilen und seine Lehren für die Nachwelt festhalten. Doch der Einsiedler erlegte sich so lange Fastenzeiten und Schweigeperioden auf, dass sich sein Gefolgsmann auf der Suche nach Nahrung und Unterhaltung unter die Bewohner der Bergregion mischte. Zu ihnen gehörte eine religiöse Gemeinschaft von Frauen, die im Haus der Schwalben lebten, wie die Mauren es nannten. Die Christen nannten es das Kloster Las Golondrinas.
Isabela
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