Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
hatte noch nie von diesem Orden gehört. Las Sors Santas de Jesús – die Heiligen Schwestern Jesu. Nach dem Bericht des Gefolgsmannes erzählten sich die Bewohner der Gegend, dass der Orden schon vor den Mauren und sogar vor den Westgoten, die vor den Mauren kamen, dort gelebt hatten, vermutlich seit der Zeit der Besetzung Spaniens durch die Römer. Die Ordensfrauen wussten viel über Medizin und das Kloster war bekannt für seine Wohltätigkeit, die allen Armen in diesem Landstrich zugute kam, egal, welcher Religion sie angehörten. Die Leute in den Bergen waren überzeugt, dass die Nonnen über besondere Kräfte verfügten, die Gott ihnen verliehen hatte. Sie sagten auch, dass die Schwalben, die jedes Jahr aus ihrem Winterquartier zum Kloster zurückkehrten und dem Ort seinen Namen gaben, die Seelen verstorbener Nonnen seien und dass eine hochgewachsene Frau in einem wehenden Umhang im Kloster herumgeisterte. Das Wichtigste war jedoch, dass es dem Wunsch des Grafen entsprach, seine Tochter vor der Welt zu verstecken.
Für Isabela zählte allein die Nähe des Klosters zum Anwesen der Abenzucars. Im Augenblick wusste sie noch nicht, was sie tun würde, wenn sie das Tal erreichte, in dem die Familie lebte. Was sie ihnen sagen würde, ob sie bereit wären, sie aufzunehmen – darüber würde sie sich während der Reise Gedanken machen. Würde sie eine so lange Reise überstehen, ohne dass ihr Zustand auffiel? Sie musste es wagen. Zum Glück war sie schlank; die Wölbung ihres Bauches konnte sie dadurch verbergen, dass sie stärker humpelte als sonst und dabei ihre Röcke schwingen ließ oder sich so auf ihren Gehstock stützte, dass die Röcke nach vorn fielen.
Auch der Graf hatte noch nie von diesem Orden gehört, zog aber seine eigenen Erkundigungen ein. Was er erfuhr, erfüllte ihn mit grimmiger Zufriedenheit. Das Kloster hatte Verbindungen zu Alten Christen und befand sich weit weg von Madrid in den Bergen, am Ende einer alten römischen Route, die von der Küste aus in diesen Teil Andalusiens führte. Er schickte nach seinen Notaren; sie sollten die Mitgift vorbereiten, die Isabela mitnehmen würde. Sobald diese Angelegenheiten geregelt waren, reisten sie aus Madrid ab. Isabela saß von Ledervorhängen verborgen in der Kutsche, doch ihren Plan, zu den Abenzucars zu fahren, würde sie nun nicht durchführen können. Ihr Vater begleitete sie zu Pferde.
Tag für Tag fuhren sie mit quälender Langsamkeit dahin. Isabela hätte die Kutsche am liebsten zur Eile angetrieben. Sie stützte sich auf die Kissen und zählte immer und immer wieder die Anzahl der Monate. Nach ihrer Rechnung würden sie das Kloster gerade rechtzeitig erreichen, es sei denn, das Baby käme zu früh. Die Schwierigkeiten, die ihre Mutter während ihrer Schwangerschaften und der Geburt ihrer Kinder gehabt hatte, waren das Thema zahlreicher geflüsterter Unterhaltungen unter den Dienerinnen und Pflegerinnen im Haushalt des Grafen gewesen und so wusste Isabela mehr über diese Dinge als die meisten unverheirateten jungen Frauen. Ihr war klar, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Ein Maultier lahmte. Ein Rad drehte sich nicht so, wie es sollte. Sie unterbrachen ihre Reise, um Salbe für das Maultier zu besorgen, und dann, um das Rad reparieren zu lassen. Ungeduldig fragte Isabela den Kutscher, wie weit es noch sei. Der Kutscher wusste es nicht.
Die Straße in die Berge wurde immer steiler. Frische Maultiere wurden vor die Kutsche gespannt und auch die Kutscher wechselten. Nun waren es Männer, die aus der Gegend stammten. Auf ihre Frage zeigten sie auf den Berg vor ihnen und verkündeten die höchst willkommene Nachricht, dass sie das Kloster Las Golondrinas am folgenden Tag erreichen würden. Im Innern der Kutsche strich Isabela über ihren Bauch, um das strampelnde Baby zu beruhigen. Als die Kutsche an einer Berghütte hielt, wo sie die Nacht verbringen sollten, hatte ein dumpfer Schmerz in Unterleib und Rücken eingesetzt. Die ganze lange Nacht hindurch kam und ging, kam und ging dieser Schmerz und Isabela lag schlaflos und schweißgebadet vor Angst auf ihrem Strohlager.
KAPITEL 7
Kloster Las Golondrinas, Sommer 1505
Am darauffolgenden Tag stemmten sich die Maultiere keuchend und mit äußerster Anstrengung ins Geschirr, um die Kutsche das letzte Steilstück hochzuziehen, bevor sie schließlich stehen blieben. Nach der Fahrt über die gewundene Bergstraße war Isabela übel. Sie lehnte sich aus dem Fenster und sog gierig die kühle, saubere
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