Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
unterhielten sich im Flüsterton. Eine von ihnen trug eine Schüssel mit Wasser, eine andere stand vor einem offenen Kästchen und ordnete die kleinen Glasflaschen darin. Am Fenster stand eine weitere Nonne mit einem Bündel im Arm, das sie hin- und herschaukelte. Das Bündel begann zu weinen.
Das klingt wie ein Baby, dachte Isabela. Dann erinnerte sie sich.
Raschelnde Röcke näherten sich und ein »Deo gratias!« erklang. Die Stimme, die sich ihrem Bett näherte, war dieselbe feste, gebieterische Stimme, die ihr befohlen hatte zu pressen. Eine Nonne mit einem breiten, ziemlich strengen Gesicht mit dichten Augenbrauen, von einem Wimpel umgeben, beugte sich über ihr Bett. An ihrem Hals baumelte eine Kette mit einer Medaille, an der Taille hing ein Rosenkranz, ihre Arme waren in den Ärmeln ihrer Tracht verschränkt und sie strahlte eine furchteinflößende Autorität aus. »Ich bin die Äbtissin. Wie fühlt Ihr Euch? Sprecht, wenn Ihr könnt, doch wenn es nicht geht, ruht Euch aus und ich komme später wieder.«
Isabela war verzweifelt. Die Äbtissin war gekommen, um das Baby mitzunehmen. Sie schluckte und blickte unverwandt auf die Medaille, die vor ihren Augen baumelte. Auf der Medaille war ein kleiner Vogel zu sehen und wenn sie sie einfach weiter ansah, würde alles … »Isabela! Seht mich an!«, befahl die Stimme.
Starr vor Schreck hob Isabela die Augen. »Ehrwürdige Mutter Äbtissin … das Baby ist unschuldig.«
»Das ist schon besser! Ihr könnt sprechen. Ihr habt uns allen einen fürchterlichen Schrecken eingejagt. Wir dachten schon, das Baby würde nicht herauskommen, aber am Ende, Gott sei Dank, habt Ihr es geschafft. Ihr habt eine Tochter geboren, die wir Salomé getauft haben, als wir dachten, dass Ihr sterbt, ohne ihr einen Namen gegeben zu haben. Wollt Ihr sie nicht auf den Arm nehmen? Sie weint nun schon seit fünf Tagen nach ihrer Mutter. Eine Amme ist ja gut und schön, aber es ist das Beste, wenn ihre Mutter sie stillt.«
Salomé? Stillen? Das Baby schrie aus vollem Halse und Isabela versuchte, sich aufzurichten. Sie zuckte vor Schmerz zusammen. Sie spürte einen Druck in ihren Brüsten und ihre Brustwarzen brannten. »Oh! Wie mache ich das?« Auf der Vorderseite ihres Nachthemdes bildeten sich zwei feuchte Kreise.
Die Äbtissin nickte wohlwollend. »Gut. Eure Milch kommt. Ihr werdet bald wissen, wie es geht.« Mit starken Armen half sie Isabela, sich aufzusetzen. »Zieht die Vorderseite Eures Hemdes nach unten – so ist es richtig.« Sie winkte die Nonne, die das Baby hielt, zu sich. Die Nonne legte das Kind in Isabelas Armbeuge. Als Salomé die Brustwarze an ihrer Wange spürte, drehte sie sofort den Kopf und schloss ihren winzigen Mund darum. Sie schauderte und begann, gierig zu saugen.
Trotz ihrer Schwäche flog ein freudiges Lächeln über Isabelas Gesicht, als sie auf das kleine rosige Menschenbündel hinabsah. »Wie wunderschön sie ist! Seht Euch die Haare an, so dicht, und solch vollkommene kleine Finger!« Das Baby öffnete ein Auge und starrte seine Mutter an, als wollte es sagen: »Aber natürlich! Was hast du denn erwartet?« Dann trank es schmatzend weiter. Isabela zog sie enger an sich.
»Wir nehmen an, dass Euer Vater nichts wusste«, sagte die Äbtissin.
»Nein«, antwortete Isabela zögernd.
»Hmpf! Männer sehen nur, was sie sehen wollen. Die Pförtnerin wusste sofort Bescheid und achtete darauf, dass sie das Tor schnell wieder schloss«, meinte die Äbtissin trocken. »Ihr habt recht daran getan, Euren Zustand bis zum letzten Moment zu verbergen. Wahrscheinlich hat es Euer Leben und das des Kindes gerettet.«
Isabela blickte auf und fragte ängstlich: »Werdet Ihr mich zurückschicken?«
»Wünscht Ihr es?«
»Nein.«
»Und der Vater des Babys?«
»Tot«, flüsterte sie und strich dem Baby sanft über den Kopf. »Tot. Er … Ich wollte hierherkommen, weil seine Familie im Tal lebt –«
»Die Abenzucars? «
Isabela nickte und hielt den Atem an.
Die Äbtissin blickte sie nachdenklich an. »Hmm. Ihr jüngster Sohn, ich kannte ihn, als er noch ein Kind war. Er kam mit seiner Mutter und seinen Tanten zu Besuch. Ein lieber Junge, und klug. Er ist Mönch geworden, eine Art Geisel, nachdem die Familie konvertiert ist.«
Isabela nickte. »Er hat es mir erzählt. Er war der Lehrer meiner Brüder. Wir wollten fliehen, nach Portugal, und dann, als wir getrennt wurden, sagte er mir, ich solle versuchen, zu seiner Familie zu gelangen, aber mein Vater beschloss, mich
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