Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
zu begleiten … und es war nicht möglich. Und nun denke ich, dass Alejandros Familie nur verstehen würde, dass ihr Sohn meinetwegen tot ist, und sie würden mich hassen, selbst wenn sie bereit wären, Salomé zu sich zu nehmen, und dann wären wir für immer getrennt.«
»Meine Liebe, ich glaube, Ihr tut den Abenzucars Unrecht. Doch davon abgesehen könnte es schreckliche Folgen für die Abenzucars, für das Baby und für Euch haben, wenn jemand außerhalb des Klosters die Wahrheit erfahren würde. Ich meine, es ist in Eurem Interesse, Euer Gelübde abzulegen und mit dem Baby hierzubleiben und die Abenzucars nicht zu benachrichtigen.«
Isabela murmelte: »Hierbleiben? Ich kann doch wohl kaum das Keuschheitsgelübde einer Nonne ablegen!«
»Hmm. Wir sind alle Sünder, Leben ist kostbar und Kinder sind ein Segen. Viele berühmte Nonnen, Priorinnen und Äbtissinnen, sogar Heilige der Kirche, waren ebenfalls Mütter. Männer und Frauen der Kirche betrachten Keuschheit unterschiedlich. Männer verleihen ihr eine unnötige spirituelle Bedeutung und setzen sie als Werkzeug ein, um Frauen zu beherrschen. Doch für religiöse Frauen bedeutet die Freiheit von familiären Verpflichtungen, dass sie sich in der Andacht und dem Studium üben und ein Leben im praktischen Dienst an Gott führen können. Nun, wie dem auch sei, es steht Euch frei, selbst zu entscheiden. Ihr könnt bei mir eine vollständige Beichte ablegen und im Laufe der Zeit entscheiden, ob Ihr bleiben wollt und ob Ihr die Profess ablegen möchtet oder nicht.«
Das wurde immer seltsamer. »Bei Euch die Beichte ablegen? Doch eher bei einem Priester, oder?«
Die Äbtissin erhob sich und faltete die Hände. »Ach, unser alter Priester!«, sagte sie abschätzig. »Natürlich, wir haben hier einen Priester, obwohl er die meiste Zeit schläft. Die Kirche achtet darauf, dass unserer Gemeinschaft armer, schwacher Frauen ein Priester zur Seite steht, weil Männer, selbst wenn sie alt und gebrechlich sind und vor sich hinsabbern, in jedem Fall die spirituelle Oberherrschaft über Frauen innehaben. Pah! Die Priester, die sie uns schicken, sind immer so alt, dass wir gezwungen sind, sie bis zu ihrem Tod zu versorgen und zu pflegen. Glücklicherweise darf die Äbtissin von Las Golondrinas die Beichte abnehmen, Bußen auferlegen und die Absolution erteilen.«
Isabela starrte sie mit offenem Mund an. Die Äbtissin erlaubte sich ein kleines Lächeln.
»Eine Ausnahmegenehmigung. Erteilt von Bischof St. Valerius von Saragossa, bevor er unter Kaiser Diokletian den Märtyrertod starb. Weil unser Kloster hier in den Bergen so abgelegen war. Er hoffte, unser leuchtendes Beispiel würde die Frauen in der Bergregion von der Ehelosigkeit überzeugen.« Die Äbtissin verdrehte die Augen, als wollte sie den Himmel bitten, er möge ihr Geduld geben. »Ich frage mich oft, ob Männer der Kirche es lieber sähen, dass es gar keinen Nachwuchs mehr gibt. Bisher hat der Papst diese Genehmigung nicht zurückgenommen, weil wir mächtige Freunde am Hofe haben, die –«
Irgendwo jenseits des Zimmers war das Kreischen einer Frau zu hören und die Äbtissin tätschelte Isabela die Hand. »Hier ist eine Schwester mit etwas zu essen. Versucht zu essen und ruht Euch aus. Wir unterhalten uns später weiter. Ich muss gehen. Eine Frau aus dem Dorf steht kurz vor der Niederkunft, leider eine schwierige Geburt, fürchte ich. Kommt, Schwestern, vergesst die Medizintruhe nicht und auch nicht die frischen Handtücher.«
Die vier Nonnen rauschten aus dem Zimmer. Neben Isabela standen auf einem Hocker eine irdene Schüssel mit dampfend heißer Suppe, Brot, ein Pfirsich und ein Kelch mit Wein. Salomé schlief. Isabela legte sie vorsichtig ab und trank ihre Suppe. Sie duftete nach Kräutern und ein pochiertes Ei schwamm darin. Es war das köstlichste Mahl, das sie je gegessen hatte. Sie tupfte den letzten Tropfen Suppe mit dem Brot auf und aß dann den Pfirsich, langsam und genussvoll. Der Saft lief ihr am Kinn herunter. Sie trank einen Schluck Wein. Ihr Leidensweg war zu Ende, die Last der Angst und der Heimlichkeit, die sie so lange getragen hatte, fiel ihr von den Schultern, und auch wenn sie es kaum glauben konnte, so waren sie und das Baby am Leben und in Sicherheit. Ihre Erleichterung war so groß, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie wusste, dass sie hierbleiben würde. Sie nahm Salomé auf den Arm, hielt sie fest an sich gedrückt und flüsterte: »Wir sind in Sicherheit, mein Schatz. Dein
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