Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
nachgefragt?«
Sor Teresa schwieg einen Augenblick, bevor sie antwortete. »Las Golondrinas beherbergt eine sehr alte religiöse Gemeinschaft, möglicherweise die älteste der Welt, und vielleicht hatten wir ein paar … kleine Unstimmigkeiten mit Rom, vor langer Zeit. Der Inquisition gefiel unser Kloster nicht, doch ich glaube, wir standen unter dem Schutz der Königin von Spanien. Trotzdem achten wir immer darauf, Rom nicht zu behelligen. Sor Clara meint, vielleicht hat Gott Sie zu uns geschickt, damit Sie uns jetzt helfen. Daher sage ich Ihnen, ja, das Kloster hat viele Gemälde. Alle sind alt, kann sein, dass einige davon gut sind, ich weiß es nicht. Viele sind ganz schrecklich, finde ich, aber wir haben nie abgelehnt, wenn uns jemand ein Gemälde geschenkt hat. Das alte Skriptorium und der Besuchsraum sind die einzigen Räume in dem Bereich, der früher der Äbtissin vorbehalten war, die wir heute noch nutzen. Dort gibt es einige Gemälde, einige Portraits, vielleicht waren es die besten, weil es die Räume der Äbtissin waren. Heute sitzen wir in diesen Räumen. Die Portraits dort zu haben ist schön, sie leisten uns Gesellschaft. Und in der sala grande sind noch viel mehr Gemälde, die Wände sind voll davon, doch wir haben die sala grande so viele Jahre lang nicht benutzt, dass ich nicht weiß, was da hängt. Und in der sala de las ni ñ as gibt es, glaube ich, auch Bilder. Sor Clara wird Ihnen alles zeigen. Sie ist die einzige Nonne, die wir noch haben, die etwas mit den Bildern zu tun hatte. Vielleicht erinnert sie sich an etwas. Wenn Sie gute Bilder finden, dann können wir entscheiden, was wir tun. Sie können das Hühnerbrot zum Reinigen nehmen.«
Bei der Erwähnung der Brotreste für die Hühner gluckste Sor Clara, wiegte sich hin und her und machte ruckartige Bewegungen mit dem Kopf, so als wollte sie Körner vom Boden aufpicken. »Gock, gock!«, rief sie übermütig.
Menina fragte sich, wie hilfreich Sor Clara letztendlich sein würde.
Dann gab Sor Clara plötzlich einen gellenden Aufschrei von sich, als sei sie von etwas gebissen worden. Ihr Blick war unverwandt auf die Medaille geheftet, die Menina auf dem Tisch hatte liegen lassen und die matt im Kerzenlicht schimmerte. Sor Clara zog Sor Teresa am Ärmel und murmelte etwas in schnellem Spanisch, das Sor Teresa überrascht ausrufen ließ. »Sor Clara sagt, Sie haben eine heilige Medaille. Sie sind nicht katholisch – wie sind Sie darangekommen?«
»Meine Eltern haben mich aus einem Waisenhaus geholt und adoptiert. Als die Nonnen mich aufnahmen, hatte ich diese Medaille um den Hals, und sie sagten, ich sollte sie behalten. Ist sie etwas Besonderes?«
Sor Clara nahm sie in die Hand, drehte sie um und ihr Blick wurde noch starrer. Dann flüsterte sie Sor Teresa etwas zu, während sie die Vorder- und Rückseite der Medaille zwischen ihren Fingern rieb. Sor Teresa antwortete ihr im Flüsterton. Mit offenem Mund starrte Sor Clara Menina an.
»Aha! Ein Kloster? Das haben Sie uns nicht gesagt«, sagte Sor Teresa barsch.
»Nein, also, ich dachte nicht, dass es wichtig ist …«
»Sie haben einen spanischen Namen, oder? Im Spanischen bedeutet Ihr Name Dienerin einer Dame – nein, keine Dienerin, eine Hofdame. Sie kennen das Gemälde Las Meninas ? Von Vel á zquez? Die Infantin und ihre Gefährtinnen, ihre ›meninas‹ , im Prado?«
»Oh, dieses Gemälde meinen Sie! Ja, natürlich kenne ich das. Es ist so berühmt, jeder kennt es.« Die Unterhaltung auf Spanisch wurde allmählich anstrengend und Menina war ein wenig verwirrt – wie waren sie plötzlich von der Medaille auf Vel á zquez gekommen?
»Aha, Sie sind also eine Menina! Hm, wie auf dem Gemälde. Aber Alejandro sagt, dass Sie nicht nach Vel á zquez suchen, sondern nach Trist á n Mendoza. Als ich den anderen das erzählte, hat Sor Clara den Namen erkannt.«
»Wie bitte?« Nun schwirrte Menina endgültig der Kopf.
»Ja. Sor Clara kann sich nicht an Dinge erinnern, die heute Morgen passiert sind, und manchmal ist sie wie ein Kind, aber was vor langer Zeit war, ja, daran erinnert sie sich sehr gut. Als Sor Clara Novizin war, war es ihre Aufgabe, eine Liste der Bilder zu schreiben.«
Menina antwortete auf Englisch: »Ein Inventar? Sor Teresa, es tut mir leid, aber ich glaube, ich bin zu müde, um alles zu verstehen, was Sie auf Spanisch sagen.«
Zuvorkommenderweise antwortete auch Sor Teresa auf Englisch. »Sie ist sich sicher, dass sie Trist á n Mendoza in das Register geschrieben
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