Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
sagte sie und trank. Dann ging sie in ihr Zimmer zurück und aß ihr Mittagessen.
Dank der Kombination aus dem ungewohnten Wein am Mittag und Jetlag wurde Menina wieder schläfrig und so rollte sie sich auf ihrem Bett zusammen und nickte ein. Es war jedoch ein ruheloser Schlaf, sie hatte das Gefühl, dass jemand nach ihr rief und sie immer wieder an den Rand des Wachzustandes zerrte, bevor der Jetlag sie wieder in den Schlaf zog. Als sie aufwachte, wusste sie einen Moment lang nicht, wo sie war. Sie rieb sich die Augen und versuchte sich zu erinnern, was sie in einem fremdem Zimmer tat, in dem die späte Nachmittagssonne das Muster der Eisenstäbe vor dem Fenster auf den Boden malte. War sie im Gefängnis?
Dann kehrte die Erinnerung zurück und sie sank stöhnend zurück auf ihr Bett. Sie dachte an ihre Eltern, sie mussten inzwischen halb wahnsinnig sein vor Sorge. Ganz bestimmt hatten sie im Hostel in Madrid angerufen und erfahren, dass niemand sie gesehen hatte und niemand wusste, wo sie war. Doch es gab überhaupt nichts, was Menina hätte unternehmen können. Sie würden Becky die Schuld geben, sie würden die Polizei und vermutlich das FBI und wer weiß wen sonst noch anrufen, aber würde all das auch nur das Geringste ändern? Wie lange würde es dauern, bis jemand die spanische Polizei soweit brachte, nach ihr zu suchen? Und wie sollten sie sie finden, falls sie tatsächlich aktiv wurden? Vermutlich würden sich die spanischen Behörden erst wieder rühren, wenn die Feiertage vorbei waren. Damit war der Hauptmann ihre einzige Verbindung zur Außenwelt und sie misstraute ihm. Was hatte er denn so Dringendes zu tun, dass er das Dorf nicht einmal für kurze Zeit verlassen konnte?
Menina beschloss, dass sie eine Waschprozedur in dem grauenvollen Badezimmer nicht länger aufschieben konnte. Aus ihrem Rucksack holte sie die Toilettenartikel im Miniaturformat, die Sarah-Lynn ihr eingepackt hatte, und die zusätzliche Garnitur Unterwäsche, die Socken, die sich ausdehnenden Handtücher und ein Sweatshirt, von dem sie gar nicht mehr wusste, dass sie es mitgenommen hatte. Sie biss die Zähne zusammen und seifte sich im eisigen Wasser aus der Pumpe ab. Dann wusch sie sich die Haare. Zitternd wickelte sie sich in den Bademantel und wusch ihre Wäsche, so gut es ging. Wieder in ihrer Zelle hängte sie die nassen Sachen auf und versuchte gerade, ihr Haar zu kämmen, als Sor Teresa mit einer anderen alten Nonne auftauchte, die sie als Sor Clara vorstellte. Die beiden brachten Menina ihr Abendessen und eine frische Kerze.
Sor Clara war eine kleine vertrocknete Frau, die etwas von einer Grille an sich hatte. Sie schien sogar noch älter zu sein als Sor Teresa. Ihr gutmütiges, von Runzeln zerfurchtes Gesicht wirkte noch verknitterter, als sie ihren zahnlosen Mund zu einem freundlichen Lächeln verzog und Menina mit zittriger Stimme mit »Deo gratias« begrüßte. Sie tätschelte ihr die Wange und sagte auf Spanisch, es sei lange her, dass sie einen jungen Gast im Kloster gehabt hätten. Sie sei herzlich willkommen, möge ihr Aufenthalt ihr Trost und Frieden bescheren.
Dann falteten die beiden alten Nonnen die Hände in ihren Ärmeln und Sor Teresa begann, in langsamem Spanisch zu sprechen, das sowohl Menina als auch Sor Clara verstehen konnten. »Ich habe das, was Alejandro über die Gemälde gesagt hat, mit den anderen Schwestern besprochen.« Sor Clara nickte heftig. »Wir haben geschworen, bis zu unserem Tode hier im Kloster zu bleiben, doch es stimmt: Wir brauchen Geld. Das Einzige, was wir tun können, ist polvor ó nes zu verkaufen. Und die Leute helfen uns, wo sie nur können. Wir sind die letzten unseres Ordens, heutzutage haben junge Frauen keine Berufung mehr. Einige der Schwestern sind älter als Sor Clara und ich und können nicht mehr aufstehen. Einige sind krank und brauchen Medizin und warme Decken. Wir ertragen unser Ungemach, wie Gott es uns schickt, doch selbst in einem einfachen Leben gibt es Dinge, die notwendig sind, damit wir Gott bis zum Ende dienen können.«
»Und wenn Gott neue Arbeit für uns hat, sind wir bereit«, meldete sich Sor Clara zu Wort. Wieder nickte sie, als würde sie stehenden Fußes zu neuen Missionen aufbrechen, wenn es nötig wäre.
»Warum hilft die Kirche nicht? Ich meine, sie müssten doch so eine Art Sozialkasse haben. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die katholische Kirche Nonnen verhungern lässt«, versuchte Menina zu helfen. »Haben Sie denn nicht
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