Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
geht?«
Esperanza nickte. »Ich gebe Euch mein Wort, Äbtissin.«
»Sehr gut.« Dann tadelte die Äbtissin Esperanza dafür, dass sie nicht an Mar í a dachte, die sie gerettet hatte. »Warum schickt Ihr ihr nicht ein paar Eurer reales als Hochzeitsgeschenk?« Esperanza errötete und rief: »Aber ja, natürlich!«
Als ich ihr unsere Bibliothek und das Skriptorium zeigte, seufzte sie zufrieden und begann sofort, sich nützlich zu machen. Dabei befolgte sie genauestens alle Anweisungen, die ich ihr gab. Wie schade, dass sie nicht dem Orden beitreten wird. Sie wäre eine hervorragende Schreiberin, wenn ich nicht mehr bin! Doch sie hat ihrem Vater auf seinem Totenbett versprochen, dass sie heiraten würde, und sie ist fest entschlossen, ihr Versprechen zu halten. Sie hat sich gut erholt, an Körper und Geist, und die Zeit, die ihr neben den heiligen Offizien, Gebeten und Mahlzeiten bleibt, verbringt sie an meiner Seite. Bisweilen ist sie so vertieft in ein Buch, dass ich sie mit einem scharfen Wort in die Gegenwart zurückrufen muss. Ich vertraue ihr immer mehr der Schreibarbeiten an und vor allem die Schwestern im Hospital loben ihr Geschick, Ratschläge und Hinweise aus unseren medizinischen Büchern herauszusuchen.
Als sich Esperanza an ihre Aufgaben gewöhnt hatte, setzte die Äbtissin alles daran zu erfahren, welches gefährliche Geheimnis sie verbarg. Wenn wir sie schützen sollten, mussten wir wissen, warum. Schließlich erklärte sich Esperanza bereit, ihre Geschichte zu erzählen, und die Äbtissin beschloss, nachdem sie ein wenig davon gehört hatte, dass sie sie in der Chronik niederschreiben sollte.
Esperanza war das einzige Kind eines Beraters des Königs. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt und sie führte ein einsames Leben in Sevilla, in einem düsteren Haus voller Gemälde, Wandteppiche, Bücher und Schatten. Esperanza wurde der Obhut eines Kindermädchens anvertraut, das in einen Soldaten verliebt war. Sie nutzte jede Gelegenheit, zum Gottesdienst in die Kathedrale zu gehen, weil ihr Soldat ganz in der Nähe auf Wache war.
Eines Tages, als das Kindermädchen mit Esperanza die Messe besucht hatte, herrschte ausgelassene Stimmung auf den Straßen, in der Ferne waren Trompeten und Trommeln zu hören. Eine lärmende Menschenmenge schob und drängte vorwärts auf die Plaza zu, um irgendeinem Schauspiel beizuwohnen. »Der Herr ist nicht da, wir haben keine Eile«, sagte das Kindermädchen. »Komm, Schatz, lass uns ein bisschen Spaß haben, ja?« Sie zerrte Esperanza zu ihrem Wachsoldaten, der das Kind auf seine Schultern hob, damit es eine bessere Sicht hatte.
Am Ende der Plaza befand sich ein Podium. Darauf saßen, dicht an dicht, Priester und Würdenträger und als die Trommelschläge näherkamen, betrat eine Prozession von Mönchen mit Kapuzen auf dem Kopf die Plaza. Gefolgt wurde sie von einer weiteren, langsamer dahinschreitenden Prozession – barfüßige, in die gleichen einfachen Kittel gekleidete Menschen, zuerst die Männer, dann Frauen und Kinder, mit Wachskerzen in der Hand. Neben ihnen gingen Wachen. Esperanza fing den Blick eines kleinen Mädchens auf, ungefähr so alt wie sie selbst, das am Rande der Menge an der Hand einer Frau ging. Esperanza winkte ihr zu. Die Frau und das kleine Mädchen erwiderten ihren Blick mit furchtsam geweiteten Augen. Sie winkten nicht zurück. Mit feierlicher Stimme wurden Namen verlesen und die Leute mit den Wachskerzen in den Händen schrien auf und weinten.
Das Kindermädchen zeigte auf die Leute in den Kitteln. Ihr Gesicht war gerötet und ihre Augen leuchteten. »Dies sind Ketzer, Feinde der Kirche. Falsche Christen, die zu ihren bösen muslimischen und jüdischen Sitten zurückgekehrt sind.« Sie leckte sich die Lippen, als die Wachen die Prozession auf einen großen aufgeschichteten Haufen aus Reisigbündeln und Stroh in der Mitte der Plaza stießen. Einige der Leute, die sich auf den Haufen zuschleppten, wurden beiseitegezogen. Geschickt legten Soldaten ihnen eine Schlinge um den Hals und zogen zu. Die Gestalten sackten auf den Boden. Sie wurden hochgehoben und auf den Scheiterhaufen geworfen. Unter den Zuschauern machte sich abfälliges Murren breit.
»Garrottieren«, sagte der Wachsoldat, auf dessen Schultern Esperanza saß. Missbilligend schnalzte er mit der Zunge. »Für die, die sich’s leisten können.«
»Sie haben unseren Herrn getötet – lasst sie leiden. Lang lebe die Inquisition!«, riefen die Leute ringsum. Das kleine Mädchen und
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