Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
erstaunt rief Esperanza: »Mein Herr, wovon redet Ihr? Wer beschuldigt uns?«
»Spielt nicht die Närrin, die geheime Sammlung verbotener Bücher, die Euer Vater gehortet hat, ist entdeckt. Sie beschuldigen ihn und Euch. Der Schmutz der Ungläubigen wurde verbrannt, so wie Euer Vater hätte verbrannt werden sollen, und Ihr mit ihm.«
Esperanza vergrub das Gesicht in den Händen. Ihr war, als sei ihr Vater ein weiteres Mal gestorben. Diese wunderbaren Bücher, die Schätze ihres Vaters, allesamt zu Asche verbrannt. Von Grobianen, Dummköpfen, barbarischen Eiferern! In ihrem Herzen brandete derartige Wut auf, dass sie sich zwingen musste, weiterhin mit gesenktem Kopf und niedergeschlagenen Augen dazustehen, damit ihr Vormund ihr nichts anmerkte. Den Rest seiner Vorhaltungen hörte sie schweigend an. Die Bücher hätten ihrem Großvater gehört, sagte er, einem muslimischen Händler, dessen verbotene Bücher ihn als falschen converso entlarvten, dessen Sohn eine ungläubige Hure geschwängert habe.
Esperanza sah ihn vollkommen fassungslos an. Wieder schob er sein Gesicht ganz nah an ihres und stieß wütend hervor, dass er, um ihre Heirat arrangieren zu können, den Beweis ihrer limpieza de sangre hätte vorbringen müssen, nur um zu entdecken, dass sie keines habe. Ihre Mutter habe dem muslimischen Glauben ihrer Familie nie entsagt und habe das Herz einer lügnerischen Ketzerin im Kloster Regina Coeli in Sevilla unter der Tracht einer Nonne verborgen, um dann den Bastard eines weiteren converso zur Welt zu bringen.
Die hässlichen Worten hallten Esperanza in den Ohren wider. Der Boden unter ihren Füßen schwankte, dann wurde alles dunkel. Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf den kalten Marmorplatten. Ihre Gouvernante hielt ihr eine stark riechende Duftkugel unter die Nase und betrachtete sie mit einer Mischung aus Misstrauen und Abneigung. »Eure Mutter war eine hurende Novizin! Dann könnt Ihr auch nicht besser sein!«
»Aber wie kann das sein?«, widersprach Esperanza unter Tränen. »Nonnen können ihr Kloster nicht verlassen. Mein Vater war die Güte selbst. Er wäre niemals … Eine Nonne würde nicht …«
Die Gouvernante schwieg.
Allein in ihrem Schlafzimmer ging Esperanza ruhelos auf und ab. Sie konnte nicht still sitzen und hatte fürchterliche Angst. Sie war in diesem Haus gefangen. Dann erinnerte sie sich an die letzten Worte ihres Vaters: »Frage Don Jaime.« Außer ihm gab es niemanden, den sie hätte fragen können. Während sich dieser schreckliche Tag dem Ende zuneigte, kritzelte Esperanza eine Nachricht in lateinischer Sprache. Für den Fall, dass sie in die falschen Hände fiel, formulierte sie ihre Botschaft zweideutig: Sie flehe den Bettelmönch Bruder Jaime an, ihr die Beichte abzunehmen. Esperanza hatte niemandem, dem sie diese Botschaft anvertrauen konnte, nur ihren Pagen, der nicht lesen konnte und ihr treu ergeben war. Sie gab ihrem kleinen Boten eine Münze und einige Süßigkeiten und schickte ihn los.
Der Page kehrte wohlbehalten zurück, doch Esperanza verbrachte eine schlaflose Nacht. Hatte Don Jaime ihre Botschaft verstanden? Am nächsten Tag jedoch wurde sie in die Empfangshalle gerufen, wo ein schmutziger Mönch sie erwartete. Seine Füße waren nackt und sein Gesicht war von einer Haube verborgen. Er kratzte sich, offenbar hatte er Läuse. Als sie die Halle betrat, dröhnte Don Jaimes tiefe Stimme vorwurfsvoll: »Bereut! Und legt die Beichte ab, um Eure Seele vorzubereiten auf das, was vor ihr liegt.« Esperanza brach in Tränen aus und führte ihn in eine stille Ecke des Raumes. Sie sank in die Knie, den Kopf in den Händen verborgen. In diesem heuchlerischen Hause würde niemand Einwände gegen einen Mann Gottes erheben.
Unter seiner Haube murmelte Don Jaime: »Haltet Euren Kopf gesenkt und hört zu. Ihr seid das Kind einer wahren Ehe, einer muslimischen Ehe und auch einer getauften christlichen Ehe. Dennoch ist das, was Euer Vormund in Erfahrung gebracht hat, zum Teil richtig. Eure Mutter war eine liebe und gebildete Dame, deren Eltern und Großeltern gezwungen wurden zu konvertieren. Ihre Familie bestand aus erzwungenen conversos und war ein Hindernis für eine Eheschließung. Als ihre Eltern starben, öffnete das Vermögen Eurer Mutter ihr die Tore des Klosters Regina Coeli. Es war bekannt für seine Apothekerinnen und Nonnen, die in medizinischen Dingen geschickt und sehr bewandert waren.
Doch vor siebzehn Jahren, noch bevor sie ihr Noviziat beendet hatte, kam eine
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