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Das Zeichen der Vier

Das Zeichen der Vier

Titel: Das Zeichen der Vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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wenn der Mann aufrecht in seinem Stuhl saß. Und nun betrachten Sie diesen Dorn einmal genauer.«
    Ich faßte ihn überaus vorsichtig und hielt ihn in den Schein der Laterne. Es war ein langer, spitzer, schwarzer Dorn, der um die Spitze herum glänzte, als ob eine zähflüssige Substanz darauf eingetrocknet wäre. Das stumpfe Ende war mit einem Messer beschnitten und abgerundet worden.
    »Stammt dieser Dorn aus England?« fragte er.
    »Nein, ausgeschlossen.«
    »Mit all dem, was Ihnen nun an Informationen vorliegt, sollte es Ihnen nicht schwerfallen, einige wohlbegründete Schlüsse zu ziehen. Aber die regulären Streitkräfte sind im Anmarsch; das heißt, daß die Hilfstruppen zum Rückzug blasen können.«
    Er hatte noch nicht ausgeredet, als die Schritte, die sich uns schon seit einer Weile genähert hatten, draußen durch den Gang gepoltert kamen und ein sehr stämmiger, korpulenter Mann in grauem Anzug schwerfällig ins Zimmer stapfte. Er war bullig, hatte ein rotes Gesicht, das auf hohen Blutdruck hindeutete, und hinter seinen wulstigen, aufgedunsenen Tränensäcken blinzelten mit wachem Blick zwei kleine, funkelnde Äuglein hervor. Ein Inspektor in Uniform und der noch immer schlotternde Thaddeus Sholto folgten ihm auf dem Fuße.
    »Das ist ja eine Geschichte, eine schöne Geschichte ist das!« rief er mit dumpfer, heiserer Stimme. »Aber wer sind denn all die Leute da? Na, hier geht es ja zu wie in einem Kaninchenstall!«
    »Ich nehme an, Sie erinnern sich meiner, Mr. Athelney Jones«, sagte Holmes gemessen.
    »Und ob ich das tue«, schnaubte er. »Sie sind doch Mr. Sherlock Holmes, der Theoretiker. An Sie erinnern! Nie werde ich vergessen, was Sie uns anläßlich des Juwelenraubes von Bishopsgate für Vorträge über Ursachen, Folgerungen und Wirkungen gehalten haben. Ich muß gestehen, Sie haben uns auf die richtige Spur gebracht, aber heute werden Sie sicherlich zugeben, daß dies mehr mit Glück als mit guten Ratschlägen zu tun hatte.«
    »Es war eine Sache einfachen logischen Denkens.«
    »Ach, kommen Sie, kommen Sie! Man sollte sich nie zu fein dafür sein, etwas zuzugeben. Aber was ist denn hier los? Üble Geschichte! Üble Geschichte! Knallharte Fakten hier – kein Platz zum Theoretisieren! Ein Glück, daß ich gerade in einer andern Sache hier draußen in Norwood zu tun hatte! Ich war grad auf dem Revier, als die Meldung eintraf. Woran ist der Mann Ihrer Meinung nach gestorben?«
    »Oh, ich will mir nicht anmaßen, über diesen Fall zu theoretisieren«, versetzte Holmes trocken.
    »Ja, gewiß – obwohl sich ja nicht bestreiten läßt, daß Sie ab und zu auch mal den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Ach, du meine Güte! Tür abgeschlossen, soviel ich gehört habe. Juwelen im Wert von einer halben Million verschwunden. Was war mit dem Fenster?«
    »Verriegelt; es gibt aber Fußspuren auf dem Fensterbrett.«
    »Na, wenn das Fenster verriegelt war, können die Fußspuren ja nichts mit der Sache zu tun haben. Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand. Vielleicht ein Schlaganfall; allerdings, diese verschwundenen Juwelen … Ha, ich hab ‘ne Theorie! Solche Geistesblitze überkommen mich oft ganz plötzlich. Würden Sie, Sergeant, und Sie, Mr. Sholto, mal bitte das Zimmer verlassen. Ihr Freund kann hierbleiben. Also Holmes, was meinen Sie dazu: Sholto war, gemäß seinen eigenen Angaben, gestern abend bei seinem Bruder. Der Bruder hat einen Schlaganfall, stirbt, und Sholto macht sich mit dem Schatz aus dem Staub. Nicht schlecht, was?«
    »Worauf der Tote so überaus rücksichtsvoll ist, sich zu erheben und die Tür von innen zu versperren.«
    »Hm, ja, dort gibt’s einen schwachen Punkt. Wir müssen die Sache mit gesundem Menschenverstand angehen. Dieser Thaddeus Sholto
war
bei seinem Bruder, und sie
hatten
Streit; so viel wissen wir. Jetzt ist der Bruder tot, und die Juwelen sind weg; das wissen wir auch. Von dem Zeitpunkt an, da Thaddeus ihn verlassen hat, ist der Bruder von niemandem mehr gesehen worden. Sein Bett ist unberührt. Thaddeus befindet sich offensichtlich in einer zutiefst aufgewühlten Gemütsverfassung. Seine Erscheinung ist – wie soll ich sagen – nicht gerade einnehmend. Wie Sie sehen, bin ich dabei, mein Netz um Thaddeus zu spinnen. Und dieses Netz fangt langsam an, sich über ihm zusammenzuziehen.«
    »Sie verfugen noch nicht über alle Fakten«, warf Holmes ein. »Dieser Holzsplitter hier, von dem ich mit gutem Grund annehme, daß er vergiftet ist, steckte in der

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