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Das Zeichen der Vier

Das Zeichen der Vier

Titel: Das Zeichen der Vier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Fuß über dem Erdboden, und wohin ich meinen Blick auch wendete, ich konnte nichts entdecken, was dem Fuß Halt geboten hätte, nicht einmal eine Ritze im Gemäuer.
    »Das ist absolut unmöglich«, erwiderte ich.
    »Ohne Hilfe ganz gewiß. Aber nehmen Sie einmal an, Sie hätten einen Freund hier oben, der Ihnen jenes gute, kräftige Seil, das dort in der Ecke liegt, herunterließe und das eine Ende an dem großen Haken da an der Wand festmachte; ich glaube, dann könnte es Ihnen, dem Holzbein zum Trotz, gelingen, heraufzuklimmen, vorausgesetzt, Sie wären ein rüstiger Mann. Zurück würden Sie natürlich auf demselben Weg gelangen. Ihr Verbündeter würde danach das Seil heraufziehen, es vom Haken lösen, das Fenster wieder schließen und verriegeln und sich dann auf dieselbe Weise entfernen, wie er gekommen ist. Als einen Punkt von sekundärer Bedeutung wollen wir festhalten«, fuhr er fort, während er das Seil durch seine Finger gleiten ließ, »daß unser Freund mit dem Holzbein zwar recht gewandt im Tauklettern, jedoch kein Seemann von Beruf ist. Seine Hände sind alles andere als verhornt. Mein Vergrößerungsglas offenbart mir manch einen Blutfleck, besonders gegen das Ende des Seiles hin, was darauf schließen läßt, daß der Mann mit einer solchen Geschwindigkeit daran hinuntergerutscht ist, daß er sich die Hände aufgeschunden hat.«
    »Das ist ja alles gut und schön«, wandte ich ein, »aber dadurch wird die Sache undurchsichtiger denn je. Was hat es mit diesem mysteriösen Verbündeten auf sich? Und wie soll der ins Zimmer gelangt sein?«
    »Ja, ja, der Verbündete«, wiederholte Holmes nachdenklich. »Es gibt einige interessante Details im Zusammenhang mit diesem Verbündeten. Er hebt diesen Fall über die Ebene des Alltäglichen hinaus. Ich vermute, daß mit ihm ein neues Blatt in den Annalen des Verbrechens in diesem Land beginnt – wenn sich auch unwillkürlich der Gedanke an Parallelfälle in Indien und, wenn mich die Erinnerung nicht trügt, in Senegambia aufdrängt.«
    »Also, wie ist er hereingelangt?« hakte ich nach. »Die Tür ist verschlossen, das Fenster läßt sich nicht erreichen. Etwa durch den Schornstein?«
    »Dazu ist die Kaminöffnung viel zu eng«, antwortete er. »Ich habe diese Möglichkeit bereits erwogen.«
    »Wie dann?« insistierte ich.
    »Sie wollen und wollen meine Regel nicht anwenden«, sagte er kopfschüttelnd. »Wie oft habe ich Ihnen schon erklärt, daß Sie lediglich all das, was unmöglich ist, auszuschließen brauchen, und was dann übrigbleibt,
mag es auch noch so unwahrscheinlich sein,
muß die Lösung sein. Wir wissen, daß er weder durch die Tür noch durch das Fenster noch durch den Kamin hereingelangt ist. Wir wissen ebenfalls, daß er sich nicht im Zimmer versteckt haben kann, weil es da keinen Ort sich zu verstecken gibt. Woher also muß er gekommen sein?«
    »Durch das Loch in der Decke!« rief ich.
    »Natürlich. So und nicht anders muß es gewesen sein. Wenn Sie so freundlich sein wollten, mir mit der Laterne zu leuchten, werden wir unsere Untersuchung jetzt auf den Raum über uns ausdehnen, auf das Geheimgemach, in dem der Schatz gefunden wurde.«
    Er stieg auf die Bockleiter, hielt sich zu beiden Seiten an einem Dachbalken fest und schwang sich daran in die Dachkammer hinauf. Dort legte er sich platt auf den Boden, langte herunter, um mir die Laterne abzunehmen, und leuchtete mir damit, während ich zu ihm hinaufkletterte.
    Der Raum, in dem wir uns nun befanden, maß ungefähr zehn Fuß in der einen Richtung und sechs Fuß in der anderen. Den Fußboden bildeten die Dachbalken mit einer dünnen Schicht aus Lattenwerk und Mörtel dazwischen, so daß man beim Gehen große Schritte von einem Balken zum andern nehmen mußte. Die Wände liefen oben zu einem Scheitelpunkt zusammen und waren offensichtlich die innere Verschalung des Hausdaches. Der Raum war gänzlich unmöbliert, und der Staub von Jahren lag in einer dicken Schicht auf dem Fußboden.
    »Schauen Sie, da haben wir’s«, sagte Sherlock Holmes und legte die Hand gegen die Wandschrägung. »Dies hier ist eine Luke, die aufs Dach hinausführt. Ich kann sie aufstoßen – und da ist schon das Dach, das hier nur sanft abfällt. Das also ist der Weg, auf dem Nummer eins ins Haus gekommen ist. Wir wollen sehen, ob sich noch mehr Spuren finden, die uns etwas über seine Person verraten können.«
    Er hielt die Lampe dicht über dem Fußboden, und zum zweiten Mal in dieser Nacht sah ich einen Ausdruck

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