Das Zeichen Des Dunklen Gottes
König Tarm von Aldoreel der Führer sein«, antwortete sein Vetter. »Wo sind denn bloß die anderen Seiten hin?« Wieder raschelte Pergament. Der Mann hinter dem Gobelin atmete ganz leise durch den Mund, selbst auf die Gefahr hin, eine Spinne zu inhalieren. »Er gilt als die unstrittigste Person und hat ein wenig Militärgeschichte studiert, wie ich.«
»Ihn oder den Rat müsste man also ausschalten«, grübelte der Kabcar. Stühle knarrten, die Männer hatten sich offenbar gesetzt.
»Wie sollen wir das bewerkstelligen?«, fragte sich Nesreca freundlich, gemischt mit einer Spur Unglaube. »Über den Repol hätten wir zwar schnell einen Attentäter dort, aber wie gelänge der in die Nähe des Königs?«
»Ich habe eine Idee.« Eine Schublade wurde aufgezogen, dann rasselte es leise, ein metallisches Klappern ertönte. »Das hier bekam ich in Granburg geschenkt. Von den Modrak. Sie meinten, ich könnte damit ihre Hilfe in Anspruch nehmen. Und wem gelänge es besser als diesen Wesen, sich unbemerkt einem Menschen zu nähern?«
»Ein solches Amulett habe ich noch nie gesehen«, staunte der Konsultant. Es entstand eine kurze Pause, wieder hörte man das Rasseln einer dünnen Kette. Offenbar untersuchte es Nesreca gerade. »Das sind keine Schriftzeichen, die mir bekannt wären. Und Ihr denkt, diese Modrak, die Beobachter, sind vertrauenswürdig?«
»Sie haben mich vom ersten Tag an ›Hoher Herr‹ genannt, wie Ihr es zu tun pflegt. Es waren also die Ersten, die meine Qualitäten richtig einschätzten, würde ich sagen. Nun gedenke ich, diese Wesen zu meinem Vorteil einzusetzen.« Es rumpelte ein wenig, eine Schublade wurde geschlossen. »Norina wollte, dass ich das Amulett verbrenne, weil ihr die Modrak …« Der Kabcar stockte. »Aber natürlich! Dass ich nicht schon lange vorher darauf gekommen bin!« Böse Freude schwing in seiner Stimme mit. »Mithilfe der Beobachter habe ich die beiden im Handumdrehen gefunden.«
»Hoher Herr«, mahnte Nesreca vorsichtig, »ich denke, dass die Angelegenheit mit dem Geeinten Heer Vorrang hat, bei allem Respekt und Verständnis für die tiefe Enttäuschung in Eurem Herzen. Schützt Tarpol, danach kümmert Euch um den Rest.« Lodrik schwieg.
Stoiko konnte sich die Szenerie auf der anderen Seite des Wandschmucks bildlich vorstellen: ein brütender Kabcar, der in seinem Inneren abwog, ob er seinen Rachegelüsten nachgeben sollte. Die vermeintliche Flucht des Leibwächters und der Brojakin hatte ihn tief verletzt. Offensichtlich empfand er immer noch etwas für Norina.
»Ihr habt Recht, Mortva. Erst meine Untertanen. Ich werde die Modrak heute Abend zusammenrufen und instruieren.«
Stoiko atmete auf. Damit war seinen Freunden noch eine Frist eingeräumt worden, in der sie mithilfe von Torben Rudgass das Reich verlassen konnten.
»Sehr gut«, lobte der Konsultant, der ebenfalls ziemlich erleichtert klang. »Nun habe ich noch eine Überraschung für Euch.« Er klopfte offenbar auf Holz. »Seht Euch an, was die Handwerksmeister nach meinen Anweisungen und Plänen geschaffen haben.«
»Sind das die neuen Waffen, die Ihr mir versprochen habt?«, fragte der Kabcar neugierig. Es ächzte hölzern, als würde eine Schatulle geöffnet. »Ach?«, kam es enttäuscht aus Lodriks Mund. »Das ist alles? Eine Miniaturarmbrust? Da fehlt nach meinem bescheidenen Wissen außerdem noch der Metallbügel, an dem die Sehne aufgehängt wird. Der Griff ist ja ganz nett modelliert, die Intarsien sind wunderbar, aber wie soll ich damit eine Übermacht aufhalten?«
Nesreca lachte leise. »Nein, nein. Hoher Herr, das ist etwas ganz anderes. Zuerst müsst Ihr das hier zurückziehen.« Es klackte.
Stoiko hätte zu gerne gesehen, was da im Teezimmer vorging. Solches Wissen müsste unbedingt in die Hände von Ilfaris gelangen. Aber der gewebte Stoff war zu dicht.
»Das riecht ein wenig merkwürdig«, kommentierte der Kabcar. »Ist das ein Stein, da unten an dem Hebel? Für was ist denn der nütze?«
»Fasst den Griff«, verlangte der Konsultant, »und richtet das Ende auf ein Ziel.« Anscheinend waren die Augen auf der Suche nach etwas. »Da. Nehmt doch den hässlichen Wandteppich. Da steht dieses Kitz zwischen den Bäumen. Visiert den Kopf des Tieres an.«
Der Mann hinter dem Gobelin riss die Augen auf, ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Was auch immer die neue Waffe anrichtete, er wollte nicht unbedingt Opfer der Wirkung sein, die gerade demonstriert werden sollte. Wo war das Kitz? Er versuchte
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