Das Zeichen Des Dunklen Gottes
überlegte der Vetter des Kabcar. Seine Miene wandelte sich von Argwohn zu falscher Freundlichkeit.
»Da ich nicht fliegen kann«, konterte der Mann mit süßer Stimme, »wie Ihr: durch die Tür.«
»Ich stand die ganze Zeit über vor dem Eingang.« Nesreca kam einen Schritt näher. »Vielleicht könnt Ihr doch fliegen, Gijuschka.« Sein Blick wurde hart. »Oder wart Ihr die ganze Zeit über hier?«
»Dann hättet Ihr mich doch gesehen, oder?« Stoiko schritt an ihm vorbei. »Euch entgeht doch nichts im Palast, oder irre ich mich da? Einen schönen Tag.«
Schweigend schaute ihm der Mann mit den silbernen Haaren nach. Dann durchforstete er das Zimmer.
Nachdem er in die leere Schublade des Schachtischs gesehen hatte, glaubte er Bescheid zu wissen. Die feinen Blutspritzer, die er hinter dem Gobelin fand, verdichteten seinen Verdacht und ließen Gewissheit daraus werden.
Sorgsam traf er die notwendigen Vorbereitungen, um auch die letzte mahnende Stimme aus dem Kreis der Menschen um den Kabcar zu entfernen.
Stoiko saß in der kleinen Kammer an dem stark ramponierten Schreibtisch und kritzelte mithilfe einer Lupe in knappen Stichworten die neusten Erkenntnisse auf den dünnen Papierstreifen.
Er war nicht so töricht, diese Spionagetätigkeiten im Palast durchzuführen, dafür war ihm das Gebäude schon lange zu unsicher geworden. Zu diesem Zweck hatte er sich die Dachkammer eines kleinen Häuschens im ärmeren Teil Ulsars angemietet. Dort befanden sich auch die Tauben, die er mit den wichtigen Erkenntnissen nach Ilfaris sandte. Auf dem Weg in sein Zweitquartier absolvierte er einen wahren Hindernislauf, wechselte mehrfach die Kutschen und die Kleidung, um die möglichen Verfolger abzuschütteln und zu täuschen. Bisher war ihm das immer großartig gelungen.
Zwei Vögel hatte er schon auf den Weg geschickt. Der eine trug das Briefchen mit dem rätselhaften Pulver darin, der andere brachte die Beschreibung der unbekannten Waffe. Nun galt es, Ilfaris von den möglichen Anschlägen zu unterrichten. Selbst wenn er das Amulett zerstören konnte, Stoiko glaubte nicht, dass Nesreca oder Lodrik deshalb die Hände untätig in den Schoß legen würden.
Es tat ihm in der Seele weh, seinen Schützling auf diese Weise hintergehen zu müssen, aber im Grunde wollte er den Jungen nur vor sich selbst und dem Einfluss des Bösen retten. Wenn es ihm endlich gelänge, den Konsultanten auszuschalten, könnte die Lage gerettet werden. Das Geeinte Heer würde sich dann mit den Tzulandriern herumschlagen.
Das letzte Zeichen war gemacht. Der Mann, der im Moment die Kleidung eines einfachen Arbeiters angelegt hatte, streute etwas Sand über die Tinte, um das Trocknen zu beschleunigen. Danach faltete er die Mitteilung mehrfach und steckte sie in das kleine wasserdichte Lederbehältnis, das mit Riemen auf dem Bauch der Taube befestigt wurde.
Gurrend harrte der Vogel aus, bis er beladen worden war. Liebevoll strich Stoiko dem Tier über die Federn, setzte es zurück in den Käfig aus geflochtenem Rohr und schob die Futterschale hinterher. »Friss, damit du deinen Flug gut überstehst.« Ein wenig zögerlich pickte die Taube die Körner auf.
Stoiko nahm währenddessen das Amulett zur Hand. Warm und pulsierend lag es auf der Haut, der Stein leuchtete schwach. Auch ihm war es nicht gelungen, die Symbole irgendeiner bekannten Sprache oder Schrift zuzuordnen.
»So schön du auch bist, du darfst nicht sein.« Er legte den Schmuck mit dem Stein nach oben auf die dreckigen Dielen und packte den Hammer.
Wuchtig landete das geschmiedete Eisen auf dem Amulett, ohne eine Wirkung zu erzielen.
Stoikos Augenbrauen wanderten in die Höhe.
Entschlossen umklammerte er das Werkzug nun mit beiden Händen und schlug zu.
»Bei Ulldrael dem Gerechten und seiner Mutter Taralea!«, entfuhr es ihm. Die braunen Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Als wäre nichts geschehen, lag das Kleinod auf dem Holz. Lediglich die Ränder hatten sich ein wenig in die Bohlen eingedrückt. »Dir zeige ich …«
Stoiko beließ es nicht mehr bei einem einzigen Versuch, sondern hämmerte mehrfach drauflos. Ein silbernes Flimmern zuckte über die Ziselierungen, als wollte das Amulett ihn verhöhnen.
Etwas außer Atem setzte sich Stoiko und überlegte. Dann suchte er im Zimmer umher, ob sich etwas Besseres finden ließe.
Auf einem Regal entdeckte er einen alten Nagel, dessen Spitze er auf dem Stein platzierte.
Zwar ahnte er, dass auch dieser Versuch nicht fruchten würde, aber
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