Das Zeichen Des Dunklen Gottes
Truppen.
Die blasse Botin trug eine schwarze Lederrüstung, auf die silberne Metallstücke lamellenhaft aufgebracht worden waren und deren Enden bis weit über die Knie reichten. Die Arme wurden von miteinander verflochtenen Kettenringen geschützt, die Hände steckten in Panzerhandschuhen. Schwarze, nietenbesetzte Stiefel rundeten das Bild einer äußerst wehrhaften Frau ab. Das Gesicht war schmal, die langen schwarzen Haare waren zu einem Zopf geflochten und hingen als dicker Strang auf den Rücken herab. Teilnahmslos erwiderte sie den Blick Hetráls.
Die Hände des Meisterschützen bewegten sich, Tarmann Nurk, sein Stellvertreter, übersetzte die Gesten. »Kommandant Hetrál bezweifelt stark, dass es eine gute Idee ist, die Bestien sich selbst zu überlassen. Er möchte eine zweite Bestätigung des Befehls.«
Die Frau zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht meine Aufgabe. Eure Anweisung lautet, die knapp zwölfhundert Mann in die Hauptstadt abzuziehen.« Es war eine rauchige, krächzende Stimme, die mit ihrem dunklen Ton die unheimliche Ausstrahlung der Botin verstärkte. »Wenn Ihr damit Schwierigkeiten habt, reitet nach Tarpol und beschwert Euch. Als Soldat des Kabcar bekamt Ihr einen Befehl.«
Der stumme Turît schüttelte den Kopf, die Finger wirbelten durch die Luft. »Der Kabcar ist nicht über alles so in Kenntnis gesetzt worden, wie es Mennebar war. Es gehen ungeheuerliche Dinge in der Stadt vor. Menschen werden darin versklavt und dem Gebrannten Gott geopfert«, gab Nurk weiter und musste seinen Vorgesetzten bremsen. »Nicht so schnell, Kommandant. Ich komme ja fast nicht mehr mit Übersetzen nach.«
»Ich werde es Eurem Herrscher melden. Ihr zieht so lange die Soldaten ab.« Nurk fiel plötzlich auf, dass sie, während sie im kleinen Wachhaus stand, nicht ein einziges Mal mit den unergründlichen Augen geblinzelt hatte. »Tut Ihr es nicht, suche ich mir jemandem in Eurem Haufen, der es kann. Auf Befehlsverweigerung steht der Tod.«
Die beiden Turîten warfen sich einen schnellen Blick zu, dann gestikulierte der Meisterschütze.
»Was hat er gesagt?«, wollte die Frau wissen.
»Es ging größtenteils an mich, nicht an Euch«, wiegelte Nurk ab. »Es waren Anweisungen an die Männer.«
Die Augen der Botin verengten sich ein wenig. »Seid Ihr der Einzige, der das Gefuchtel des Kommandanten deuten kann?«
Der Kämpfer lächelte. »Ihr müsst auf das vertrauen, was ich Euch sage. Ich bin der Einzige.«
»Das würde die Sache für mich erleichtern, sollte sich der Kommandant weigern. Ohne Euch versteht ihn niemand mehr in diesem Lager.« Ihre Augen ruhten auf Nurk, der unwillkürlich zurückweichen wollte.
»Die Truppen ziehen sich morgen Früh zurück«, beeilte sich der Übersetzer zu sagen.
»Ich werde morgen Früh wieder hier sein und mich davon überzeugen«, sagte die Botin kalt. Ohne einen Gruß verließ sie das Steinhaus, krachend fiel die Tür ins Schloss. Wortlos sahen sich Hetrál und Tarmann an.
Ich habe keine Ahnung, was das für eine Person ist, meinte der Schütze nach einer Weile, aber sie kommt nicht vom Kabcar. Er nahm den Brief auf, überflog die Zeilen ein weiteres Mal und warf die Befehle achtlos zurück auf den Tisch. Mennebar ist vor eineinhalb Wochen gestorben, die Nachricht von seinem Tod wird höchstens gestern erst in Tarpol angekommen sein. Und schon taucht ein Bote von Lodrik auf? Selbst eine Brieftaube hätte es schwer gehabt, die Strecke in dieser knappen Zeit zu überbrücken, aber wie sollte es ein Mensch schaffen? »Dennoch sind die Siegel echt«, gab sein Stellvertreter zu bedenken.
Ein guter Fälscher macht so etwas im Handumdrehen, hielt Hetrál dagegen. Ich denke, dass es eine Tzulani-List ist. Etwas geht in der Stadt vor, und sie wollen, dass wir es nicht mitbekommen. Oder sie haben Angst, dass wir ihre Götzenstätte vernichten. Oder der Kabcar macht wirklich gemeinsame Sache mit Sinured. Ich kann es immer noch nicht glauben. »Sie sah auch nicht wirklich wie ein offizieller Bote aus«, gab ihm Nurk nach etwas Überlegen Recht. »Es gibt mehr Ungereimtheiten als Klarheiten. Und warum übernachtet sie im Dorf und nicht bei uns?« Er sah auf den gesiegelten Brief. »Aber dennoch ist es ein Befehl, Kommandant.«
Der Meisterschütze fasste einen Entschluss: Ich werde noch in dieser Nacht einen Angriff befehlen. Etwas stimmt nicht, und umso schneller sie uns loswerden wollen, umso mehr bin ich sicher, dass ein ganz furchtbares Unterfangen im Gange ist.
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