Das Zeichen Des Dunklen Gottes
nichts«, erklärte er. »Ich habe nur Hunger.« Die Lakaien sahen sofort beruhigt aus.
Der König setzte seinen Weg fort. Beobachter vor seinem Fenster. So nahe waren sie noch nie herangekommen. Auch das würde seinen Grund haben. Er würde Wachen aufstellen lassen. Niemand bespitzelte ihn. Es sei denn, er wollte es selbst.
Baraldino schlenderte zurück zu seiner Unterkunft im Palais des Königs. Nicht, dass er ernsthaft unzufrieden mit dem Ausgang der Verhandlungen war. Palestan kam bei der ganzen Sache noch sehr glimpflich davon. Ein paar Ausgaben während des Krieges, ein paar Auflagen danach, die man mit Leichtigkeit umgehen konnte. Tersion und Angor waren die Hauptleidtragenden, was ihn nicht wesentlich bekümmerte. Alana hatte gewusst, auf was sie sich damals einließ.
Die Grünhaare glaubten doch nicht im Ernst daran, dass Palestan einen Bogen machen würde, nur weil sie es gerne hätten. Er roch am parfümgetränkten Taschentuch und zupfte einen losen Brokatfaden am Ärmel ab. Zumal sich im Norden neue Dinge anbahnten. Profitable Dinge.
Der palestanische Kaufmannsrat beabsichtigte, einen Pakt mit dem Kabcar von Tarpol einzugehen. Was auch immer der Knabe vorhatte, die Händler wollten ihm Unterstützung gewähren. Dafür würden sie das Seehandelsmonopol erhalten, so sah es der Entwurf vor, den der Commodore »zufällig« gesehen hatte. Damit wäre die Konkurrenz aus Agarsien endgültig aus dem Rennen um Profit und Erlöse. Aber man wollte warten, wie sich die Dinge in Telmaran entwickelten.
Er faltete den Brief seines ehemaligen Vorgesetzten auseinander und las die Zeilen ein weiteres Mal. Tatsächlich drohte ihm Scalida aus dem weit entfernten Kensustria damit, ihn vor einem palestanischen Kriegsgericht für seinen Verrat in Tersion zur Verantwortung zu ziehen. »Früher oder später wird Euch meine Rache ereilen. Denkt an mich, wenn Ihr im Turm sitzt«, lautete der Abschiedsgruß.
Lachend zerriss Baraldino das Papier und warf es achtlos über die Schulter in den Gang. »Wir beide sehen uns bestimmt nicht mehr wieder.«
Er bog um die Ecke eines Korridors und sah seine Leibgarde, die vor seiner Tür Position bezogen hatte. Das verwunderte ihn ebenso wie der Umstand, dass seine sämtlichen Koffer, Kisten und Truhen vor der Tür standen.
»Was, bei allen geplatzten Wechseln, soll das?« Nun schritt Baraldino aus, sein Zorn wuchs mit jeder Bewegung, die Perücke drückte er vorsorglich etwas fester auf sein Haupt, damit sie gleich bei seinem folgenden Wutausbruch an Ort und Stelle blieb.
»Was«, fauchte er den Befehlshaber an, »hat das zu bedeuten, Hauptmann? Warum stehen meine Sachen hier auf dem Flur? Und was machen Ihr und Eure Männer vor meinem Zimmer? Habe ich etwas von Abreise gesagt?« Er schlug mit dem Tuch nach dem Mann, der den Ausbruch ziemlich gelassen hinnahm. »Habt Ihr aus meinem Mund irgendeine Anordnung dieser Art vernommen?«
Die Tür schwang auf, und als Baraldino sich erbost umdrehte, sah er schon eine flache Hand übergroß vor seinem Gesicht. Im nächsten Moment klatschte es laut auf, als die ausgestreckten Finger auf seiner rechten Wange landeten.
Verblüfft machte der Commodore einen Schritt nach hinten und fiel dabei der Länge nach über einen seiner zahlreichen Koffer und löste eine Gepäcklawine aus, die ihn unter sich begrub.
Keuchend, kochend vor Wut und ächzend räumte er sich einen Weg frei, sprang auf und angelte nach dem Griff seines Degens, um den unbekannten Angreifer zu durchbohren. Wie zur Salzsäule erstarrt hielt er mitten in der Bewegung inne. »Tezza? Ihr?«
»Glotzt nicht so blöde«, begrüßte ihn sein ehemaliger Adjutant. »Damit habt Ihr wohl nicht gerechnet.« Tezza, das ehemalige Geschenk an Alana II. von Tersion, zog blank und benutzte die Spitze seiner Waffe dazu, die wertvolle Halsbinde seines Gegenübers durcheinander zu wirbeln. »Nun rechnen wir ab.«
Teilnahmslos schaute Baraldinos Leibwache zu, wie Tezza, dessen Uniform die Abzeichen eines Commodore zierten, ihren Vorgesetzten vor sich hertrieb, bis der mit dem Rücken an der Wand stand.
»Hauptmann, ich störe Eure Bewegungslosigkeit nur ungern, aber würdet Ihr Eurem Auftrag auf der Stelle nachkommen und mich vor diesem Wahnsinnigen beschützen?«, schrie der Bedrohte. Die fünf Finger, die Tezza mitten in sein Gesicht geschlagen hatte, zeigten sich als deutliche rote Abdrücke.
»Parai Baraldino, ich verhafte Euch hiermit«, sagte stattdessen sein einstiger Adjutant genüsslich.
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