Das Zeichen des fremden Ritters
Ritter, und bevor der es verhindern konnte, schlug er seinen Umhang beiseite. Alle sahen den Dolch an Sir Thomas’ Seite blitzen. Ein aufgebrachtes Raunen ging durch die Halle. Das war ganzund gar unhöflich und gegen die Regeln auf einer Burg!
Graf Wilhelm blickte den Ritter bekümmert an. »Ich bin enttäuscht von Euch«, sagte er, »nach allem, was …«
»Ha!«, brüllte Graf Guy. »Ich habe doch gesagt, man kann Engländern nicht trauen. Glaubst du mir endlich, Schwager?«
Zornig knallte er das Lederetui auf den Tisch und sein Inhalt ergoss sich auf das Tischtuch. Alle reckten die Hälse, um zu sehen, was es war! Hannes konnte zusammengefaltete und mit Siegeln versehene Pergamente erkennen. Er merkte, dass Sir Thomas leichenblass wurde |142| und Geoffrey entsetzt die Hand vor den Mund geschlagen hatte.
»Sieh dir das an!«, forderte Graf Guy seinen Schwager auf. »Und du wirst endlich verstehen, warum ich Engländer hasse!«
Graf Wilhelm erfasste das Wappen auf dem Etui und die Pergamente mit einem Blick, aber er rührte sie nicht an.
»Erklärt
Ihr
mir, was es ist«, forderte er Sir Thomas auf, »und ich werde entscheiden, ob der offensichtliche Diebstahl meines Schwagers«, er warf Guy einen zornigen Blick zu, »gerechtfertigt ist oder nicht.«
Sir Thomas kam nicht dazu, etwas zu erklären, denn in diesem Moment platzten Jakob und Agnes in die Halle und mit ihnen kamen der Stadtvogt und die beiden Burgwächter. Sie führten Lukas herein und warfen ihn vor dem Grafentisch auf die Knie. Seine Hände hatten sie gefesselt. Neben ihn legten sie das Gepäck des Ritters, die Fidel und die Pferdedecken und mehrere Waffen, darunter ein Schwert.
Ein aufgeregtes Gemurmel war von den Tischen zu hören und kleine erschrockene Schreie der Damen. Atemlos verfolgten alle, was geschah. Wer war der Gefesselte?
Hannes war sofort zu seinen Freunden hinübergeeilt, die bei den beiden Spielmännern standen.
»Ist das der Schiffer?«, raunte er.
Jakob nickte, aber er konnte nichts Näheres sagen. Graf Wilhelm verlangte eine Erklärung.
|143| »Das ist der Schiffer Lukas. Er hat alles gestanden«, berichtete der Stadtvogt Markus von Thalbach und sah verächtlich auf Lukas herunter. »Er sollte Sir Thomas und seinen Knappen Geoffrey zur Pfalz im Norden bringen. Aber stattdessen hat er den Ritter niedergeschlagen und ihm Gepäck und Pferde gestohlen.«
Die Kinder schauten sich vielsagend an. Geoffrey war Sir Thomas’ Knappe! Das erklärte allerdings den goldenen Stern an seiner Kette und auch, warum die beiden so vertraut miteinander geredet hatten!
»Er hat
einen Ritter
niedergeschlagen?«, empörte sich Graf Guy. »Vilain!«, brüllte er den Schiffer an. Für einen Moment schien er völlig vergessen zu haben, dass es sich um einen englischen Ritter handelte.
»Ich wäre fast erfroren!«, rief Sir Thomas gleichzeitig. »You villain!«
Hannes wisperte Gottfried zu: »Was heißt das?«
»Das heißt beides ›Schurke‹«, übersetzte Gottfried.
Hannes wunderte sich, wieso Engländer und Franzosen sich so feindlich gesinnt waren. Sie benutzten doch sogar die gleichen Wörter, wenn sie über jemanden herfielen!
Und es sah so aus, als wollten sie das jetzt auch wirklich tun! Graf Guy war aufgesprungen und auch Sir Thomas ging aufgebracht auf den Schiffer zu. Graf Wilhelm packte den Arm seines Schwagers. Geoffrey sprang herbei und hielt Sir Thomas zurück. Lukas hatte den Kopf zwischen die Schultern gezogen, als würde er ihre Schläge schon erwarten.
|144| »In dieser Halle wird niemandem Gewalt angetan!«, rief Graf Wilhelm. »Ihr seid beide Ritter, vergesst das nicht! Der Schiffer wird seine Strafe erhalten. Stadtvogt«, wandte er sich an Markus von Thalbach. »Lasst ihn in den Turm bringen, bis Ihr über ihn richten werdet!«
Der Stadtvogt verbeugte sich zustimmend und machte den Burgwächtern ein Zeichen. Alle beobachteten mit angehaltenem Atem, wie sie Lukas auf die Füße rissen und mit dem Stadtvogt die Halle wieder verließen.
»Und nun«, fuhr Graf Wilhelm fort und blickte Sir Thomas an, »wünsche ich eine möglichst überzeugende und vor allem glaubhafte Erklärung. Wer seid Ihr und wieso tragt Ihr einen Dolch in meiner Halle?«
»Jetzt muss er sich etwas anderes überlegen«, wisperte Agnes spöttisch. »Die Rittergeschichte kann er jetzt nicht mehr erzählen.«
»Und ich will wissen«, rief Graf Guy aufgebracht und klopfte mit dem Finger auf die Pergamente, »warum hier etwas von Adeligen und
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