Das Zeichen des fremden Ritters
Rücken. »Und da ’inten ist noch einer. Sänger für Noël, eh? Annes, ’ol ein paar Äpfel und ’onigkuchen und gib sie denen. Und dann weg mit ihnen aus meine Küche. Vite, vite.«
Hannes versuchte, dem empörten Pierre zu erklären, dass Gottfried kein Weihnachtssänger war, der mit einem Lied um Gaben bitten wollte.
»Aber das ist doch Gottfried, der Spielmann«, rief er. »Graf Wilhelm erwartet ihn in der Halle! Die anderen Akrobaten und Musiker sind auch schon da.«
Pierre betrachtete Gottfried zweifelnd.
»Und die andere Mann?«
»Er heißt Geoffrey und ist auch Spielmann«, erklärte Gottfried, zog den Fremden in die warme Burgküche und schloss die Tür.
Vor ihnen stand ein junger Mann von vielleicht achtzehn Jahren mit hellbraunen schulterlangen Locken und |13| einem fröhlichen Gesicht. Seine Kleidung war nicht ganzso bunt wie die von Gottfried und er trug auch keine Laute über der Schulter. Es schien ihm gut zu gehen, denn er konnte sich offenbar lederne Stiefel und ein gut gefüttertes Wams aus feinem Stoff leisten.
»Dschef-ri?«, versuchte Hannes den seltsamen Namen auszusprechen. »Was ist das denn für ein Name?«
»Na ja«, antwortete Gottfried, »das ist Englisch und heißt nichts weiter als ›Gottfried‹. Geoffrey kommt aus England. Wir haben den gleichen Namen und den gleichen Beruf. Gut, was? Ich habe ihn eben bei Matthes in der Burgschenke getroffen.«
»Das ist wahr«, sagte Geoffrey mit einem fremden Akzent, der anders klang als Pierres. »Ich bin Spielmann. Gottfried war so nett, zu nehmen mich mit ihm. Wir haben schon etwas ausgedacht für den Grafen. Leider man hat mir gestohlen mein Instrument«, fügte er traurig hinzu. »Es war eine Fidel. Aber Gottfried sagt, vielleicht der Graf hat ein Instrument für …«
»Fi!«, spuckte Pierre zornig. Es hörte sich an wie ein sehr verächtliches ›Pfui!‹. »Engländer in meine Küche? Eine unglaubliche Ding!«
Er funkelte den Spielmann böse an. Die anderen warfen sich betroffene Blicke zu und zuckten die Schultern. Keiner verstand, warum Pierre so unhöflich war. Was hatte er gegen Geoffrey?
Immer noch empört klatschte Pierre in die Hände. »Vite, vite. ’ier fault niemand. An der Arbeit jetzt!«
Er begriff nicht recht, warum alle lachten, aber seine |14| Gehilfen verstanden sofort, dass sie nicht mehr faul herumstehen sollten.
Und Pierre hatte recht. Das Weihnachtsessen würde gleich beginnen. Sie hörten, wie die Musiker des Grafen oben in der Halle die Fanfaren bliesen. Es bedeutete, dass nach einer kurzen Unterhaltung durch die Gaukler die Speisen des ersten Gangs in die Halle getragen werden mussten. Sie stoben in alle Richtungen und stellten hastig die gefüllten Schüsseln und Platten bereit.
Während der zwei vergangenen Tage hatten sie gelernt, dass Pierre schnell aufbrauste und genauso schnell wieder friedlich und freundlich war. Es dauerte auch nicht lange, bis er wieder vergnügt vor sich hin summte, während er noch ein letztes Mal die Gerichte beäugte: Erbsen mit Wein und Honig, sauer eingelegte Bohnen, gebratene Wildschweine, Gänse, Wachteln und Tauben, Hühnchen in Mandelmilch und vieles mehr. Als Krönung sollten beim dritten Gang des Festmahls drei gefüllte und gebratene Reiher auf die Tafel kommen, in deren Schnäbel Wolle gestopft war. Sie hatten die Wolle in Öl getränkt und ein wenig Salpeter daraufgestreut. Vor dem Servieren würde die Wolle entzündet werden, damit die Vögel in einem Regen aus Tausenden von winzigen Feuerfunken auf die Tische gestellt werden konnten.
Pierre nickte zufrieden. Alles sah gut aus.
»Vite, vite!«, rief er. »’inauf mit euch!«
Hannes nahm rasch die beiden Kannen mit Rosenwasser |15| und führte Gottfried und Geoffrey hinauf in die Halle. Die Küchenjungen und Gehilfen folgten ihnen mit den ersten Speisen.
Oben in der großen Halle erwartete sie das Summen vieler Stimmen, fröhliches Gelächter und Applaus. Im Schein von Fackeln und Kerzen verbeugten sich die Gaukler und Akrobaten. Hannes kannte sie fast alle. Sie waren schon im Sommer durch Erlenburg gezogen und hatten während des Jahrmarkts ihre Kunst gezeigt. Als jetzt der erste Gang des Festmahls aufgetragen wurde, machten sie den Gehilfen Platz.
Hannes füllte die Schalen auf den Tischen mit Rosenwasser. So konnten sich die Gäste während des Festmahls immer wieder die Hände waschen. Das würde nötig sein, denn vieles wurde mit den Fingern gegessen.
Während der Arbeit blickte er neugierig
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