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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Du musst nahe genug an sie herankommen, sagte er sich, du musst nur nahe genug an sie herankommen, dann kann das Töten beginnen. Lanferelle vertraute auf seine Fähigkeiten, wenn es ums Töten ging. Vielleicht war er kein Meister im Schlammwaten, aber töten konnte er, und deshalb unternahm er die nächste Anstrengung, um sich vor das Gedränge zu schieben, sodass er ausreichend Platz haben würde, um seine Waffen einzusetzen. Wieder wandte er den Kopf von rechts nach links, spähte durch die noch offenen Löcher seines Visiers und sah in gerader Linie vor sich ein großes Banner mit dem Wappen des englischen Königshauses, das sich schamlos die französische Lilie angeeignet hatte. Über das königliche Wappen auf dem Banner liefen drei weiße Streifen mit drei roten Kreisen, und da erkannte Lanferelle das Banner von Edward Duke of York. Er würde einen guten Gefangenen abgeben, dachte Lanferelle. Das Lösegeld für einen englischen Duke würde Lanferelle reich machen, und diese Aussicht schien seinen müden Beinen neue Kräfte zu verleihen. Er knurrte inzwischen, wenn er sich dessen auch nicht bewusst war. Die englische Kampflinie war dicht vor ihm. «Bist du da, Jean?», rief er, und sein Junker bejahte. Lanferelle hatte vor, die englische Linie mit seiner Lanze anzugreifen und dann, während der Feind vor diesem Schlag zurückwich, die unhandliche Waffe fallen zu lassen und mit der Keule weiterzukämpfen, die über seiner Schlüter hing, und wenn der Keulengriff brach, würde er eine der zusätzlichen Waffen einsetzen, die ihm sein Junker hinterhertrug. Unvermittelt fühlte sich Lanferelle von einem Hochgefühl durchströmt. Er hatte bis jetzt überlebt, er hatte den Pfeilsturm überlebt, und er würde mit seiner Lanze gegen den Feind kämpfen. Doch in ebendiesem Moment jagte eine Ahlspitze im rechten Winkel geradewegs in eines der Visierlöcher seines Helmes, und das Licht blendete Lanferelle, als der Pfeil den Stahl abschälte und seinen Nasenrücken spaltete. Sein Kopf wurde schmerzhaft zur Seite gerissen, als der Pfeil um Haaresbreite an seinem rechten Auge vorbeischoss und an seinem Wangenknochen entlangschrammte, bevor er im Helm stecken blieb.
    Plötzlich konnte er sehen. Er sah durch den gezackten Spalt, der von dem Pfeil gerissen worden war, den er nun mit seiner linken Hand aus dem Helm zerrte. Viel war es zwar immer noch nicht, doch als er sich nach einem lauten, dumpfen Geräusch linksherum wandte, hatte er einen großgewachsenen Mann vor sich, der sich krümmte, während ihm schaumiges Blut aus den Visierlöchern seines Helmes tropfte. Dann wandte er seinen Blick zum Duke of York zurück, der nur noch ein paar Schritte entfernt war. Er senkte die Linke, um seine Lanze abzustützen, atmete tief ein und brüllte seinen Kriegsruf. Er brüllte, während er angriff, oder besser: während er sich die letzten Schritte über den schlammigen Acker pflügte. In seinen Schrei mischten sich Zorn und Hochstimmung. Zorn auf seinen schamlosen Feind und Hochstimmung, weil er die Pfeile der Bogenschützen überlebt hatte.
    Lanferelle war in der Schlacht angekommen.
    Auch Sir John Cornewaille war zornig.
    Seit dem Tag, an dem die Armee in Frankreich gelandet war, hatte er zu den Befehlshabern der Vorhut gehört. Er hatte den kurzen Marsch nach Harfleur befehligt, hatte in der ersten Reihe der Männer gestanden, die diese widerspenstige Stadt angegriffen hatten, er hatte den Marsch im Norden der Seine auf diesen Schlammacker in der Picardie geführt. Doch jetzt war dem Verwandten des Königs, dem Duke of York, der Befehl über die Vorhut übertragen worden, und der fromme Duke war nach Sir Johns Ansicht kein sehr begabter Anführer.
    Doch der Duke hatte den Befehl, und Sir John, der nur wenige Schritte rechts von ihm in der Linie stand, konnte sich dieser Anordnung nur beugen. Allerdings bedeutete das nicht, dass er den Männern der rechts aufgestellten Kampfeinheit nicht sagen konnte, was sie tun sollten, wenn die Franzosen kamen. Er beobachtete das Vorrücken der feindlichen Feldkämpfer, und er sah, wie sie sich durch den Schlamm quälten. Er verfolgte beeindruckt den Flug der dichten Pfeilstürme, die von links und rechts auf das Feld jagten, um zu treffen, zu verwunden und zu töten. Nicht ein einziges französisches Visier war offen, also waren die Männer halb blind, und der Schlamm verwandelte ihre Bewegungen in die von Krüppeln, und Sir John erwartete sie mit seiner Lanze, seiner Kampfaxt und seinem Schwert.

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