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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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und sein rechtes Bein zitterte. «Gott», betete er, «lieber Jesus, beschütze mich.» Doch er fand keinen Trost in dem Gebet. Alles, woran er denken konnte, war, dass der Feind es nach Soissons hereingeschafft hatte, oder Soissons angriff, und dass er nicht wusste, was vor sich ging. Er fühlte sich hilflos und verletzlich. Der Klang der Kirchenglocken hallte unablässig in seinem Kopf und brachte ihn ganz durcheinander. Die breite Bresche in der
    Stadtmauer war bis auf das letzte Licht der abbrennenden Fackeln dunkel, doch dann sah Hook andere Lichter, die sich dort bewegten. Gleitende, silbergraue Lichter, Lichter wie Rauch im Mondlicht oder wie die Geister, die am Vorabend von Allerheiligen auf die Erde kamen. Sie waren schön; hauchdünn und durchscheinend wanderten sie durch die Dunkelheit. Er blickte unverwandt hin, fragte sich, woraus diese schimmernden Umrisse bestanden, und dann verwandelten sich die silbergrauen Schemen in rote, und ihm wurde mit einem Schreck bewusst, dass die wandernden Formen Männer waren. Er sah das Licht der ausgehenden Fackeln, das sich auf ihren Rüstungen spiegelte. «Sergeant!», rief er.
    «Was ist?», schnappte Smithson.
    «Die Bastarde sind da!», schrie Hook.
    Und so war es.
    Die Bastarde kamen durch die Bresche in der Stadtmauer. Ihre Metallpanzer waren spiegelnd blank gescheuert, sodass sie das Licht zurückwarfen, und sie rückten unter einem blauen Banner vor, auf dem goldene Lilien blühten. Ihre Visiere waren geschlossen, und ihre langen Schwerter blitzten im Fackelschein. Sie wirkten nicht länger durchscheinend, sondern wie Männer aus brennendem Metall, Phantome aus einem Höllentraum, der Tod, der durch die Dunkelheit nach Soissons kam. Hook konnte sie nicht zählen, so viele waren es.
    «Oh, gottverdammt», sagte Smithson entsetzt. «Haltet sie auf!»
    Hook tat, was ihm befohlen wurde. Er trat hinter die Befestigung, zog einen Pfeil aus der Leinentasche und legte ihn auf den Schaft seines Bogens. Seine Angst war mit einem Mal verschwunden, oder vielleicht war sie auch nur verdrängt worden von der sicheren Gewissheit, was getan werden musste. Hook musste die Bogensehne spannen.
    Die meisten erwachsenen Männer auf dem Höhepunkt ihrer Kräfte waren nicht in der Lage, die Sehne eines Kriegsbogens bis zu ihrem Ohr zurückzuziehen. Die meisten Kämpfer, Feldkämpfer, auch wenn sie vom Krieg und durch ständige Übung am Schwert gestählt waren, konnten die Hanfsehne nur halb so weit spannen, doch bei Hook wirkte es völlig mühelos. Sein Arm zuckte zurück, seine Augen suchten nach einem Ziel für die helle Pfeilspitze, und es kostete ihn keinen weiteren Gedanken, den Pfeil abschnellen zu lassen. Er griff schon nach dem zweiten Pfeil, während der erste, eine Ahlspitze mit schwerem Schaft, einen Brustpanzer aus schimmerndem Stahl durchschlug und den Mann gegen den französischen Standartenträger taumeln ließ.
    Und erneut ließ Hook einen Pfeil abschnellen, ohne zu denken, nur erfüllt von dem Befehl, diesen Angriff zurückzuschlagen. Er schoss Pfeil auf Pfeil ab. Er zog die Sehne zu seinem rechten Ohr und war sich der winzigen Bewegungen seiner linken Hand nicht bewusst, mit denen er die weißbefiederten Pfeile zu ihrem kurzen Flug ins Ziel ausrichtete. Er war sich des Todes nicht bewusst, den er brachte, oder der Verletzungen oder der Pfeile, die wirkungslos an einer Rüstung abglitten. Die meisten aber waren nicht wirkungslos. Die schmalköpfigen Ahlspitzen-Pfeile bohrten sich auf diese kurze Entfernung mühelos durch die dünnen Rüstungen, und Hook hatte mehr Kraft als die meisten anderen Bogenschützen, die mehr Kraft als die meisten anderen Männer hatten, und sein Bogen war schwer. John Wilkinson hatte bei seiner ersten Begegnung mit Hook versucht, den Bogen des jüngeren Mannes zu spannen, und war mit der Sehne nur bis zu seinem Kinn gekommen. Er hatte Hook einen anerkennenden Blick zugeworfen, und jetzt schickte dieser lange Bogen mit dem schweren Schaft aus dem Stamm einer Eibe, die im fernen Savoyen gewachsen war, den Tod durch die glockendröhnende Dunkelheit. Hook aber sah nur den Feind, der durch die Bresche kam, in der flackernd die Fackeln brannten, er bemerkte die Massen von Männern nicht, die beidseits der Bresche über die Stadtmauer fluteten und schon versuchten, die Befestigung aus Weidenkörben niederzureißen. Dann stürzte ein Teil dieser Befestigung zusammen, und als Hook bei dem Geräusch herumfuhr, erkannte er, dass er der einzige

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