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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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erzählte, dass er Stimmen höre. Pater Michel bekreuzigte sich. «Es könnte auch die Stimme des Teufels sein, oder?», sagte er.
    «Das beunruhigt mich», gab Hook zu.
    «Aber ich glaube es nicht», sagte Pater Michel freundlich. «Du schneidest zu viel von diesem Baum weg!»
    «Dieser Baum ist in einem grauenvollen Zustand, Pater. Ihr hättet ihn schon letzten Winter beschneiden sollen, aber auch so wird es ihm nicht schaden. Wenn Ihr Birnen haben wollt, könnt Ihr ihn nicht wild wachsen lasen. Vertraut mir. Schneiden und schneiden! Und wenn Ihr denkt, Ihr habt zu viel abgeschnitten, dann schneidet Ihr die gleiche Menge Äste noch einmal!»
    «Schneiden und schneiden, was? Wenn ich nächstes Jahr keine Birnen habe, weiß ich, dass du vom Teufel geschickt worden bist.»
    «Es ist Sankt Crispinian, der zu mir spricht», sagte Hook, während er einen weiteren Ast stutzte.
    «Aber nur, wenn Gott es ihm gestattet», sagte der Priester und bekreuzigte sich erneut, «und das bedeutet, dass Gott zu dir spricht. Ich bin froh, dass kein Heiliger mit mir redet.»
    «Darüber seid Ihr froh?»
    «Was ist denn mit denjenigen, die Stimmen hören? Entweder sind es selber Heilige, oder sie landen auf dem Scheiterhaufen.»
    «Ich bin kein Heiliger», sagte Hook.
    «Aber Gott hat dich auserwählt. Er trifft manchmal eine sehr merkwürdige Wahl.» Der Geistliche lachte.
    Pere Michel unterhielt sich auch mit Melisande, und so erfuhr Hook mehr über das Mädchen. Melisandes Vater war ein Lord, sagte der Priester, ein Gutsherr, der Seigneur d'Enfer hieß, und ihre Mutter war eine Dienstmagd gewesen. «Also ist deine Melisande auch so ein Bastard von einem Adligen», sagte Pater Michel, «geboren, um ein Leben voller Kummer zu leben.» Ihr adeliger Vater hatte dafür gesorgt, dass Melisande als Novizin in das Nonnenkloster von Soissons kam, um für die Nonnen als Küchenmädchen zu arbeiten. «So verbergen die Lords ihre Sünden», erklärte Pater Michel bitter, «indem sie ihre Bastarde ins Gefängnis stecken.»
    «Gefängnis?»
    «Sie wollte keine Nonne werden. Kennst du ihren Namen?»
    «Melisande.»
    «Melisande war eine Königin von Jerusalem», sagte Père Michel lächelnd. «Und diese Melisande liebt dich.» Hook erwiderte nichts.
    «Beschütze sie», befahl ihm Père Michel an dem Tag, an dem sie weiterzogen, mit strenger Stimme.
    Sie hatten sich verkleidet. Es war schwierig, Hooks Statur zu verbergen, doch Pater Michel gab ihm ein weißes Büßerhemd und eine Aussätzigenklapper, die aus einem hölzernen Handstück bestand, an dem mit Lederbändern zwei kleinere Holzstücke befestigt waren. Melisande, ebenfalls im Büßergewand und das schwarze Haar zottelig und kurz geschnitten, führte ihn nach Nordwesten. Sie waren auf Pilgerschaft, so schien es, und suchten nach Heilung für Hooks Leiden. Sie lebten von den Almosen, die ihnen die Leute zuwarfen. Sie vermieden es, in Hooks Nähe zu kommen, denn er machte seine ansteckende Krankheit durch lautes Klappern kenntlich. Sie bewegten sich mit großer Vorsicht, umgingen größere Siedlungen und schlugen einen weiten Bogen, als sie an den Rauchsäulen der Kochfeuer erkannten, dass sie die Stadt Amiens vor sich hatten. Sie schliefen in den Wäldern, in Kuhställen oder in Heuschobern, und der Regen durchnässte sie, und die Sonne trocknete sie, und eines Tages wurden sie am Ufer des Flusses Canche zum Liebespaar. Danach war Melisande sehr schweigsam, doch sie schmiegte sich an Hook, und er schickte ein Dankgebet zu Sankt Crispinian, der jedoch nicht darauf reagierte.
    Am nächsten Tag gingen sie weiter nach Norden. Sie folgten einem Weg, der über ein weites Feld zwischen zwei
    Wäldern führte. Im Westen stand halb verborgen hinter Bäumen eine kleine Burg. Sie rasteten am östlichen Rand des Feldes bei der verwitterten Hütte eines Forstmanns, die unter einem dick bemoosten Strohdach fast einzubrechen schien. Gerste wuchs auf dem Feld, die Ähren bogen sich wie Wellen in der Brise, Lerchen tummelten sich über ihnen, und auch ihr an- und abschwellender Gesang erinnerte an Wellen, und Hook und Melisande waren in der Wärme des Spätsommertages halb eingeschlafen.
    «Was tut ihr hier?», verlangte eine barsche Stimme zu wissen. Ein reich gekleideter Reiter, der einen Falken mit Kapuze auf dem Handgelenk trug, stand am Rand des Waldes.
    Melisande kniete unterwürfig nieder und senkte den Kopf. «Ich bringe meinen Bruder nach Saint-Omer, Herr», sagte sie.
    Der Reiter, der ein Herr sein

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