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Das Zeichen des Sieges

Das Zeichen des Sieges

Titel: Das Zeichen des Sieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Plünderung der Stadt ging den ganzen Tag weiter. Die Kathedrale, die Gemeindekirchen, das Nonnenkloster und die Priorate wurden ausgeraubt. Frauen und Kinder wurden geschändet und wieder geschändet, die Männer wurden ermordet, und Gott wandte Seine Augen von Soissons ab. Seigneur de Bournonville wurde hingerichtet, und er hatte Glück, denn er starb, ohne zuvor gefoltert worden zu sein. Die Festung, die als Zuflucht gegolten hatte, war kampflos gefallen, denn die Franzosen, die durch die Heimtücke Sir
    Rogers in die Stadt gekommen waren, hatten ihr Tor weit geöffnet und ihr Fallgatter aufgezogen vorgefunden. Die Burgunder starben, und nur Sir Rogers Männern, die an dem Verrat ihres toten Anführers beteiligt gewesen waren, war das Leben gelassen worden. Die Bürger hatten die burgundische Besatzung gehasst und waren dem König von Frankreich treu ergeben geblieben, doch jetzt, in einem Rausch von Blut, Gewalt und Raub, vergalten ihnen die Franzosen diese Treue mit einem Gemetzel.
    «Je suis Melisande» , sagte das Mädchen immer wieder, und zuerst verstand Hook nicht, was die junge Frau meinte. Endlich wurde ihm klar, dass sie ihren Namen sagte.
    «Melisande?», fragte er.
    «Oui.»
    «Nicholas.»
    «Nicholas», wiederholte sie.
    «Einfach Nick», sagte er.
    «Eifanick?»
    «Nick.»
    «Nick.» Sie flüsterten, sie warteten, sie hörten dem Schreien einer Stadt zu, und sie rochen ein Gemisch aus Ale und Blut.
    «Ich weiß nicht, wie wir von hier wegkommen sollen», sagte Hook zu Melisande, die ihn nicht verstand. Sie nickte dennoch, und dann schlief sie unter dem Stroh mit dem Kopf auf seiner Schulter ein, und Hook schloss die Augen und betete zu Crispinian. Hilf mir, heimzukommen. Nur dass ein Geächteter kein Zuhause hat, dachte er verzweifelt.
    «Du wirst heimkommen», sagte Sankt Crispinian.
    Hook erstarrte. Hatte er sich die Stimme nur vorgestellt? Sie hatte echt gewirkt, so echt wie die Schreie, mit denen die Bogenschützen gestorben waren. Dann fragte er sich, wie er aus der Stadt entkommen sollte, denn die Franzosen hatten gewiss an allen Toren Wachen aufgestellt.
    «Geh durch die Bresche», schlug Sankt Crispinian liebenswürdig vor.
    «Wir gehen durch die Bresche», sagte Hook zu Melisande, doch sie schlief weiter.
    Als es Abend wurde, sah Hook Schweine, die anscheinend aus ihren Ställen hinter den Häusern gelassen worden waren, an den Leichen der Bogenschützen fressen wie an einer Festtafel. In Soissons war es inzwischen ruhiger geworden, offenbar hatten sich die Sieger fürs Erste ausreichend an Leibern, Ale und Wein gütlich getan. Der Mond ging auf, doch Gott schickte Wolken, die das silbrige Licht zunächst dämpften und dann ganz verschwinden ließen, und in dieser Dunkelheit tasteten sich Hook und Melisande nach unten auf die stinkende Straße. Es war Mitternacht, und aus den aufgebrochenen Häusern drang das Schnarchen von Männern. An der Bresche stand keine Wache. Melisande, in Sir Rogers blutigen Wappenrock gehüllt, hielt Hooks Hand krampfhaft fest, während sie über die zerschossenen Trümmer der Stadtmauer kletterten. Als sie die Senke durchquerten, in der die üblen Gerüche aus den Gerbergruben aufstiegen, und als sie den Hügel hinauf an dem aufgegebenen Feldlager der Sieger vorbei in den höher gelegenen Wald liefen, in dem es nicht nach Blut stank und in dem keine Leichen verrotteten - Melisande hielt sich an Hook fest.
    Soissons war tot.
    Hook und Melisande aber lebten.
    ***
    «Die Heiligen sprechen zu mir», erklärte er ihr in der Morgendämmerung. «Jedenfalls tut es Crispinian. Der andere Geselle ist verdrießlicher. Er spricht zwar auch manchmal, aber viel sagt er nicht.»
    «Crispinian», wiederholte Melisande und wirkte sehr erfreut darüber, dass sie wenigstens eines seiner Worte verstanden hatte.
    «Er scheint sehr gutherzig zu sein», sagte Hook, «und er beschützt mich. Und jetzt beschützt er dich auch, nehme ich an!» Er lächelte sie an, von plötzlicher Zuversicht erfüllt. «Wir müssen dir etwas Ordentliches zum Anziehen besorgen, Mädchen. Du siehst sehr sonderbar aus in diesem Wappenrock.»
    Wenn Melisande auch sonderbar aussehen mochte, sie war dennoch bezaubernd. Hook war das nicht aufgefallen, bis die Morgendämmerung im Wald ungezählte Speere aus grüngoldenem Licht zwischen dem Blattwerk und den Ästen hindurch auf ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen warf, das von nachtschwarzem Haar eingerahmt wurde. Sie hatte graue Augen, so hell wie

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