Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
aus.
»Ich werde immer gut auf mich aufpassen«, sagte ich.
Er antwortete nicht.
Das Fahrradgeschäft lag in der Nähe eines Einkaufszentrums; Kathleen und ich waren letzte Woche mit dem Bus dorthin gefahren, weil sie es mir zeigen wollte. Sie und Michael hatten mich außerdem beraten, auf welche Dinge ich beim Kauf besonders achten sollte, und mir die drei wichtigsten Punkte aufgeschrieben. Die Liste hatte ich mitgenommen.
Aber als wir das Geschäft betraten, stellte ich fest, dass ich sie gar nicht brauchte. Michael stand nämlich im Laden und sah sich die Fahrräder an.
Er wurde rot, als er mich sah. »Kathleen meinte, dass heute der große Tag ist«, sagte er. »Ich dachte, du könntest vielleicht Unterstützung gebrauchen.«
»Und jetzt hast du wohl Angst, dass ich mehr dahinter vermuten könnte, was?«, sagte ich, aber er blickte an mir vorbei.
»Guten Tag, Sir«, sagte Michael. Seine Stimme klang merkwürdig angespannt.
Mein Vater war hinter mich getreten. »Woher kennst du Ariella?«
»Das ist Michael, Kathleens Bruder«, sagte ich.
Mein Vater nickte und gab Michael die Hand. »Und, was hältst du von den Fahrrädern?«
Abends erzählte mir Kathleen am Telefon, wie sauer sie auf Michael sei, weil er sie nicht mit in den Fahrradladen genommen hatte. »Er meint, dein Vater sieht aus wie der Fürst der Finsternis.« Ihre Stimme verriet, was ihre Worte nicht taten: dass das etwas Gutes war, etwas »total Cooles«, um ein Wort zu benutzen, das in ihrem Haus üblich und in meinem noch nie gefallen war.
Es rührte mich, dass die McGarritts andere Menschen so vorurteilslos in ihr Herz schlossen - sogar so merkwürdige Leute wie meinen Vater und mich. Vielleicht waren sie so geworden, weil sie selbst an der Schule (und überall sonst in Saratoga Springs) so oft herablassend behandelt wurden? Oder waren sie einfach von Natur aus so freundlich?
Was es auch war, ich besaß jetzt ein Fahrrad, um genau zu sein: ein blau-silbernes Rennrad. Es dauerte nur einen Tag, bis Dennis mir beigebracht hatte, darauf zu fahren. Als ich damit zu den McGarritts radelte, war Michael total verblüfft. »Du musst ein Naturtalent sein«, sagte er.
Ich hoffte es. Ich dachte nämlich schon daran, meinen Vater im Herbst zu fragen, ob ich Reitstunden nehmen dürfte.
Mit dem Fahrrad erschloss ich mir die ganze Stadt.
Anfangs war ich nur mit Kathleen unterwegs. Wir trafen uns jede Woche auf der Rennbahn, um den Pferden beim Training zuzusehen; danach gingen wir meistens in die Stadt, wo wir manchmal Limo tranken und Sandwichs aßen. Anschließend fuhr ich zu meinem Nachmittagsunterricht nach Hause und sie zu ihrer Geschichtsnachhilfe in die Schule. Kathleen fand es grausam, dass ich in den Sommerferien zur Schule musste, aber ich freute mich auf die Zeit mit meinem Vater. Ich lernte gern.
Bevor ich Kathleen kennengelernt hatte, war ich noch nie in einem Restaurant gewesen. Kannst du dir meinen Vater, Dennis, Mary Ellis Root und mich beim Italiener an der Ecke vorstellen? Unsere Speisekammer war immer gut gefüllt und wir mussten zum Essen nicht ausgehen. Erst mit Kathleen erlebte ich, wie viel Spaß es machte, sich etwas auf einer Speisekarte auszusuchen. Die mit Käse überbackenen Sandwiches im Café schmeckten so viel leckerer als alles, was Mrs McG machte, obwohl ich das natürlich nie sagte.
Mit Kathleen ging ich auch zum ersten Mal in die Stadtbibliothek und lernte das Internet kennen. Sie konnte es nicht fassen, dass ich zu Hause keinen Computer benutzte. Die beiden Geräte, die im Kellergeschoss standen, waren für die Forschungsarbeiten von meinem Vater und Dennis bestimmt, und ich war nie auf die Idee gekommen, sie zu fragen, ob ich sie mitbenutzen könnte.
Und das war auch jetzt nicht notwendig. Wir hatten zu viele andere Dinge zu tun. Wir machten immer längere Fahrradtouren, fuhren zum Yaddo Rosengarten und noch weiter, bis zum See. Anfangs konnte ich nicht so weit oder so schnell wie Kathleen fahren, aber mit der Zeit wurde meine Kondition immer
besser. Ich handelte mir den ersten Sonnenbrand meines Lebens ein, von dem ich Fieber und einen so schlimmen Ausschlag bekam, dass mein Vater Dr. Wilson kommen ließ, der mir eine Standpauke hielt und zwei Tage Bettruhe verordnete; danach benutzte ich mit religiösem Eifer eine Sonnenschutzcreme mit Lichtschutzfaktor 50, die Root mir mit verächtlichem Blick auf die Schlafzimmerkommode gestellt hatte.
Auf meinen ersten Kuss reagierte ich weniger heftig. Eines Abends
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