Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
ein Schläger?« Sie lachte. »Nein, aber er arbeitet im Unterricht nicht mit und ist total verstockt. Er liest viel über Politik. Die meiste Zeit ist er einfach nur wütend.«
Das klingt interessant , dachte ich. »Was zieht er eigentlich zur Party an?«
»Keine Ahnung.« Sie hielt mir ein enges schwarzes Paillettenkleid hin. »Aber du wirst jetzt das hier anprobieren.«
Und genau dieses Kleid trug ich dann auch. Kathleen hatte für sich selbst eines aus rotem Satin gefunden, das vorne und hinten tief ausgeschnitten war. Sie war der Meinung, wir sollten Masken tragen, aber ich wollte nicht.
Als Michael am Halloween-Abend vor unserer Haustür stand, hatte er eine schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt an, auf dem ANARCHIE stand. Er trug auch keine Maske. Wir sahen uns erleichtert an.
Seine Haare reichten ihm mittlerweile bis über die Schultern, und er war dünner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Seine dunklen Augen wirkten größer und sein Gesicht schmaler. Wir standen im Flur und betrachteten einander wortlos.
Als ich eine Bewegung hinter mir spürte, drehte ich mich um. Mein Vater stand in der Tür zur Bibliothek und beobachtete uns; der Ausdruck auf seinem Gesicht war voller Abscheu. So hatte ich ihn noch nie zuvor gesehen. Seine Augen waren kleine Schlitze und die Mundwinkel waren nach unten gezogen; er hatte eine unnatürlich steife, gerade Haltung angenommen und das Kinn nach vorne geschoben. Ich sagte irgendetwas Dummes (vielleicht »Hallo«?) und er zuckte zusammen - sein Gesicht und sein Rumpf wurden einen Moment lang von einem merkwürdigen Krampf geschüttelt. Als ich kurz blinzelte und wieder hinsah, war er plötzlich nicht mehr da.
Ich drehte mich wieder zu Michael um, dessen Blick immer noch starr auf mich gerichtet war. »Du siehst anders aus«, sagte er.
Michael hatte den Wagen bekommen und fuhr uns zur Schule.
Kathleen und ihr Freund Ryan, ein kleiner Blonder, den ich letzten Sommer kennengelernt hatte, saßen auf der Rückbank
und redeten wie besessen aufeinander ein. Ryan trug eine Teufelsmaske.
»Bridget hat das ganze Abendessen über nur rumgejammert. Sie wollte unbedingt mitkommen«, erzählte Kathleen und beugte sich zu mir nach vorne. »Sie meinte, dass sie es verdient hätte, weil sie heute Nachmittag, als sie in der Schule die Halloween-Parade abgehalten hatten, einen Preis für das gruseligste Kostüm gewonnen hat.«
Kathleen erzählte auch, dass es Eltern gab, die gefordert hätten, sämtliche Halloween-Veranstaltungen an den Schulen zu verbieten, weil sie angeblich den Teufel verherrlichen würden. Worüber sie und Ryan laut lachten.
»Das ist mein Werk«, krächzte Ryan und streichelte über die Hörner seiner Maske.
Michael und ich sagten nicht viel. Ich fand es aufregend, neben ihm zu sitzen. Ich warf verstohlene Blicke auf seine Hände, die das Lenkrad umfassten, und auf seine langen Beine.
Kathleen hatte sich extrem stark geschminkt; ihr Gesicht war weiß, ihre Augen schwarz umrandet, aber irgendwie ließ das Make-up sie heute Abend jünger wirken. Ich hatte das Gefühl, viel älter auszusehen. Die schwarzen Pailletten zeichneten den Umriss meines Körpers nach und zeigten der Welt ein Bild von mir, das ich selbst kaum kannte. Am Abend zuvor hatte ich mir vorgestellt, wie ich über die Tanzfläche schweben und alle im Saal in den Bann ziehen würde. Die Vorstellung schien jetzt Wirklichkeit werden zu können.
Die Party fand in der Aula statt, wo eine riesige Jesus-Statue stand, die uns mit weit geöffneten Armen willkommen hieß. Als wir hereinkamen, schienen alle Augen auf uns gerichtet zu sein. Michael und ich sahen uns nicht an.
In dem Saal war es heiß, und der Geruch der Leute, die sich darin tummelten, war überwältigend. Es war, als köchelten in dem schummrigen Licht sämtliche Düfte vor sich hin, die Kathleen und ich im Drogeriemarkt jemals ausprobiert hatten - die Shampoos, die Deos, die Parfums, die Seifen. Ich atmete ganz flach, weil ich Angst hatte, in Ohnmacht zu fallen, wenn ich tiefer inhalieren würde.
Michael führte mich zu ein paar Klappstühlen, die an einer Wand standen. »Setz dich erst mal«, sagte er. »Ich besorg uns was zu essen.«
Die Musik dröhnte aus riesigen Lautsprechern, die in den Ecken der Aula angebracht waren. Aber ich konnte keinerlei Melodie oder Texte erkennen, weil ich alles verzerrt hörte. Kathleen und Ryan wirbelten schon über die Tanzfläche. Kathleens Kleid fing die sich ständig verändernden Farben eines
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