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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hubbard
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durchs Zimmer zu rennen und »Gewonnen!« oder »Gleich bin ich wieder sichtbar!« oder »Regenerierung!« zu brüllen. Zwei der Jungs spielten Werwölfe (sie hatten sich den Buchstaben W auf ihre T-Shirts geheftet), die anderen stellten Vampire dar (sie trugen schwarze T-Shirts und Vampirgebisse aus Gummi). Ich war die einzige »Sterbliche« im Raum. Weil es mein erstes Mal war, hatten sie mir vorgeschlagen, ihnen erst einmal nur zuzuschauen - aber ich merkte auch, wie sehr sie es genossen, vor Publikum zu spielen.
    Fast alles, was sie sagten und spielten, stimmte mit dem überein, was ich im Internet über Vampire gelesen hatte. Sie zitterten, wenn sie ein Kreuz sahen; sie verwandelten sich in imaginäre Fledermäuse, sie »flogen« und benutzten virtuelle Fähigkeiten wie Schnelligkeit und Stärke, um imaginäre Wände zu erklimmen und auf imaginäre Dächer zu springen - alles in einem sechs mal fünf Quadratmeter großen Wohnzimmer.
    Sie schlichen durch die Gassen einer imaginären Stadt, zogen Karten, auf denen Münzen, spezielle Werkzeuge, Kräfte oder Waffen abgebildet waren, und täuschten Kämpfe und Vampirbisse vor, ohne sich dabei auch nur einmal tatsächlich zu berühren. Die fünf Jungs machten auf mich den Eindruck, als wären sie von Natur aus eigentlich eher schüchtern. Das Rollenspiel erlaubte es ihnen, aus sich herauszugehen, allerdings versuchten sie, ihren Rollen so sehr gerecht zu werden, dass es auf mich völlig übertrieben wirkte. Kathleen bewegte
sich als einziges Mädchen der Gruppe so selbstsicher durch den Raum, als würde er ihr gehören. Die anderen hatten kaum eine Chance gegen sie, nicht einmal wenn sie versuchten, sich gegen sie zu verbünden. Anscheinend standen in ihrem Notizbuch die wirkungsvollsten Zauberformeln und Abwehrtechniken.
    Von Zeit zu Zeit beraubten die Spieler sich gegenseitig und legten ihre gestohlenen Münzen in imaginären Banken an - es lebe der Kapitalismus, dachte ich. Bei diesem Spiel ging es anscheinend weniger um Fantasie als um Habgier und Macht.
    Die Luft in dem Raum roch nach ihrem Schweiß und den widerlichen orangefarbenen Käseflips, die sie aßen. Irgendwann hielt ich es vor Enge und Langeweile nicht mehr aus und flüchtete aus dem Zimmer. Ich ging durch die Küche, stattete der Toilette einen kurzen Besuch ab und ging den Flur entlang, bis ich vor einer dicken Tür mit einem Glasfenster stand: dem Eingang zum Gewächshaus.
    Als ich sie öffnete, schlug mir feuchte, von üppigem Pflanzenduft erfüllte Luft entgegen. Auf aneinandergereihten Tischen standen eingetopfte Orchideen, die mir in dem Windhauch, der von langsam rotierenden Deckenventilatoren erzeugt wurde, sanft zuzunicken schienen. Ich achtete darauf, nicht direkt unter den Lampen zu stehen, deren violett getöntes Licht mich benommen machte und die Farben der Blüten zum Leuchten brachte: intensives Violett und Magenta, zartrosa geädertes Elfenbein, bernsteinfarben gepunktetes Gelb, das sich strahlend von dem dunkelgrünen Blattwerk abhob. Einige der Orchideen sahen aus, als hätten sie winzige Gesichter mit Mündern und Augen, und während ich durch die Gänge wanderte, begrüßte ich sie: »Hallo, Ultraviolett. Bonsoir, Banana.«
    Wie schön , dachte ich, ein Zufluchtsort vor dem grauen Winter in Saratoga
Springs. Ryans Vater sollte Eintritt verlangen. Als ich tief einatmete, füllte die feuchtwarme Luft meine Lungen und entspannte mich so sehr, dass ich auf der Stelle hätte einschlafen können.
    Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und einer der Jungs, ein großer, schwarz gekleideter »Vampir« mit Sommersprossen, kam hereinstolziert. »Sterbliche, ich bin gekommen, um dich zu wandeln«, verkündete er mit bebender Stimme und öffnete den Mund, um seine falschen Reißzähne zu entblößen.
    »Wohl kaum.« Ich sah ihm tief in die Augen, die klein und schwarz waren, aber durch seine Brillengläser größer wirkten.
    Er rührte sich nicht von der Stelle und sah mich mit starrem Blick an. Ich betrachtete sein gerötetes Gesicht und die beiden auf seinem Kinn keimenden Pickel, die schon bald in voller Blüte stehen würden, und wartete ab. Als er nichts sagte, sondern nur wie angewurzelt stehen blieb, fragte ich mich, ob ich ihn womöglich hypnotisiert hatte. »Hol mir ein Glas Wasser«, befahl ich.
    Er drehte sich widerspruchslos um und ging mit hölzernem Schritt in die Küche. Als die Tür aufschwang, hörte ich einen Moment lang die Schreie und Kampfgeräusche der anderen, dann

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